Der Schwung zur Form

Einen Querschnitt durch Karl-Heinz Ströhles Arbeiten aus seinem Nachlass sind derzeit in der Galerie Maximilian Hutz zu sehen.
Der Zeichner, Maler, Performance-, Objekt- und Medienkünstler, der bereits 2016 allzu früh in seinem 59. Lebensjahr verstorben ist, war eine der nicht nur interessantesten künstlerischen Persönlichkeiten unseres Landes, sondern er reüssierte auch auf internationalem Parkett. Auslandsstipendien in Paris und Tokyo sowie mehrfache Auszeichnungen, darunter der 2016 posthum verliehene Konstanzer Kunstpreis, honorierten seine Arbeit.

Die Ausstellung in der Galerie Hutz geht zurück auf das Bekenntnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und dem Galeristen, die 2016, in dem Jahr, als Ströhle starb, vereinbart worden ist. Sieben Jahre später ist es nun so weit. Alle Arbeiten, die hier zu sehen sind, stammen aus dem Nachlass von Karl-Heinz Ströhle, der von seinem Neffen Pascal Hüppi verwaltet wird. Es sind Werke aus den Jahren 1993 bis 2015 zu sehen, beginnend mit den minimalistisch in Öl gemalten Streifenbildern „GAP“ (1993) bis hin zu den „Blubb“-Bildern (2015) in Acryl.

Federstahlband-Skulpturen
In der Mitte des Raumes stehen die sogenannten „Wireframe Sculptures“, wunderbar bewegliche Federstahlband-Skulpturen, die durch eine sanfte Berührung in Schwingung versetzt werden können. Eindrucksvoll „schwangen“ diese Skulpturen durch die verschiedensten Impulse eines Tänzers, der im Jahr 2006 im Kunsthaus Bregenz diese in Bewegung versetzte. Wie schrieb damals der renommierte Kunsttheoretiker Bazon Brock, bei dem Ströhle auch studiert hatte: “Die zu Kuppeln, Reifen oder Käfigen oszillierenden Bänder halten eine (Form-)Spannung, die jederzeit aufbrechen und sich in einen anderen Zustand verlagern kann – verursacht durch äußere Einwirkung wie Tänzer, die sich in und durch die Metallreifen hindurchbewegen und das Material in Schwingung versetzen … im toten Material den Effekt der Verlebendigung zu erzielen … das gestaltete Material schien quasi vivente/nearly living zu sein.“ Karl-Heinz Ströhle hat in diesem Federstahlbändern für sich ein Material gefunden, das seiner Vorstellung von einem dialektischen Formenspiel entsprach. Eine Verlebendigung seiner in Öl und Acryl ausgeführten Arbeiten von vertikalen Streifen bis zur geschwungenen Linie bis hin zu den blasenförmigen „Blubbs“. Er hauchte seinen Arbeiten damit Odem (Leben) ein, eine Art Formgeben, eine Verlebendigung von scheinbar toter Materie.

Leichtfüßigkeit und Spannung
Ströhles Bilder gleichen makro- oder mikroskopischen Detailaufnahmen, wie unter einem Mikroskop und dennoch assoziieren sie bei näherer Betrachtung eine unglaubliche Tiefe. Speziell die Intensität der Acrylfarben lassen seine Arbeiten in einem „ewigen Licht“ erscheinen. Man könnte durchaus von einem umgekehrten Effekt sprechen, denn in gewisser Weise sind seine Gemälde erstarrte Bewegung. Mitnichten. Ihr innerer „Drive“ evoziert bei jedem Betrachter eine „rhythmische Bewegung“, sobald man sich auf sie einlässt. Großartige Kunst, in einer Leichtfüßigkeit und Spannung, die es wiederzuentdecken gilt.
Thomas Schiretz