Der Teufel spielt auf zum Tanz

Das Vorarlberger Landestheater zeigt „The Black Rider“ von Wilson/Burroughs/Waits.
Bregenz „The Black Rider: The Casting Of The Magic Bullets“ basiert auf der Volkssage „Der Freischütz“, die vor allem durch die gleichnamige Oper (1817) von Carl Maria von Weber bekannt geworden ist. Die Bregenzer Festspiele werden das Stück in der Regie von Philipp Stölzl 2024 auf die Seebühne bringen.
„The Black Rider“ aber erzählt die Geschichte um den Amtsschreiber Wilhelm und seine Liebe zur Förstertochter Käthchen gänzlich neu, die Autoren Wilson, Burroughs und Waits halten sich nur bedingt an das Libretto von Friedrich Kind, im Wesentlichen diente ihnen das „Gespensterbuch“, eine Sammlung phantastischer Geschichten, die August Apel und Friedrich Laun 1810 herausgegeben hatten, als Vorbild.
Cut-up-Methode
„The Black Rider“ spielt auch nicht kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg in Böhmen, sondern im Hier und Heute, und der Ort des Geschehens ist ein Zirkus oder ein Varieté. Man möchte den Autoren William S. Burroughs und dem Musiker und Komponisten Tom Waits viel Spaß bei der Erarbeitung des Stücks unterstellen, denn die beiden haben alle Register ihres künstlerischen Könnens gezogen und sich getreu an die Cut-up-Methode gehalten; man zerschnippelt Zeitungsauschnitte, vermischt sie und setzt sie neu zusammen. Man spielt mit der Neuabmischung der Texte, die Dadaisten haben das vorgemacht, und Burroughs, eine Ikone der Popkultur, wurde zum wichtigsten Vertreter des Cut-up.
Das Grundgerüst der Geschichte vom „Freischütz“ ist geblieben: Wilhelm darf seine Angebetete erst dann ehelichen, wenn er ein Meisterschütze wird. Gott sei Dank gibt es da Stelzfuß (der Teufel), der ihm seine Dienste anbietet und ihm sieben silberne Kugeln vermacht, die alle ihr Ziel sicher treffen. Allerdings mit der Auflage: „ich geb‘ sie dir, sechs für dich und eine mir“. Und wie das halt so ist, wenn man sich mit dem Teufel einlässt – wir kennen das von Goethes Faust -, verlangt er dafür sein Scherflein, in der Regel eine Seele. Es kommt, wie’s kommen muss, alles was Wilhelm vor die Flinte läuft, wird mit Blattschuss erlegt, ein freudiger Blutrausch überkommt ihn ob seines neu gewonnenen genialen Talents; er darf nun heiraten, und bei seinem letzten Schuss auf eine Taube, es ist sein siebter, wird sein Käthchen tödlich getroffen und stirbt. Wilhelm verliert darüber den Verstand, er erkennt zu spät, wem er sich anvertraut hatte, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen.
Mit viel Klamauk, Slapstick- und Tanzeinlagen, Stand-up-Comedy, wunderbaren Gesangseinlagen, präsentiert sich ein unglaublich engagiertes Ensemble seinem Publikum. Überzeugend Maria Lisa Huber als Käthchen, sowohl im Gesang (ihre Stimme changiert von einem wunderschönen Sopran in das Gekrächze eines Gollum/Herr der Ringe oder einer Regan MacNeil/Exorzist) als auch in ihrer Darstellung (von naiver Brautjungfer zur Wahnsinnigen).
Der Teufel trägt Weiß
Vivienne Causemann ist ein glaubhafter Stelzfuß, der Teufel trägt nicht Prada, der Teufel trägt Weiß, so zumindest im ersten Teil des Stücks, herrlich teuflisch ihre Künste. Auffallende Neuentdeckung Martin Müller, sehr präsent, tolle Mimik. Luzian Hirzel, der ansonsten immer brillante Darbietungen abliefert, kann in seiner Rolle als Wilhelm nicht so ganz überzeugen, vielleicht ist es dem Premierenfieber geschuldet.
Nico Raschner, in dreifacher Besetzung, mimt eindrucksvoll einen schwer vom Schicksal geschlagenen Georg Schmid. Kongenial vor allem auch The Palace Hotel and Grillroom Orchestra um ihren musikalischen Leiter Oliver Rath, grandios Johannes Bär auf der Trompete und Andreas Broger auf der Klarinette.
Grotesk-komische Figuren
Knappe drei Stunden lang begleiten sie musikalisch das Ensemble auf ihrem Weg in ihr Schicksal. Ebenso ein Highlight Inszenierung, Raum und Video von Johannes Lepper. Das Video/Projektion zum Intro untermalt mit Neil Youngs „Dead Man“-Soundtrack, aber auch das zum Finale mit der Silhouette „Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich war außergewöhnlich. Lepper überzeichnet nie die grotesk-komischen Figuren, er lässt ihnen genügend Freiraum, seine Handschrift ist ein gefühlvolles Tuning.
Hervorzuheben sind auch die exzellent ausgewählten Kostüme von Sabine Wegmann und die perfekt angepassten Hüte der Schauspieler des Hutmachers Alphons Fritz. Ein Abend voller Überraschungen, Applaus. THS

„The Black Rider“ läuft noch bis 29. Juni. Mehr Informationen unter https://landestheater.org/