Der Lauf des Lebens

Kultur / 16.06.2023 • 19:25 Uhr
Das gestisch-experimentelle malerische Element ist ihr Duktus und Credo zugleich.THS
Das gestisch-experimentelle malerische Element ist ihr Duktus und Credo zugleich.THS

Antonia Riederer, Marie Ruprecht und Ines Agostinelli präsentieren ihre Werke.

Dornbirn Unter dem Titel „Kunstsalon“ stellen derzeit Antonia Riederer (OÖ), Marie Ruprecht (OÖ) und Ines Agostinelli (V) in der CampusVäre aus. Vor fünf Jahren entwickelten die beiden erstgenannten bildenden Künstlerinnen und Absolventinnen der Kunstuniversität Linz den „Kunstsalon“ als neues Format, dessen Ziel es ist, ausgewählte Gastkünstlerinnen, in diesem Fall die Vorarlberger Künstlerin und Ausstellungsmacherin Ines Agostinelli, einzuladen und gemeinsam eine Ausstellung zu veranstalten. Dies nicht nur um einen vertieften Austausch, sondern auch um mögliche Gegeneinladungen und die Bildung eines Netzwerks zu erreichen.

Der Titel der Ausstellung „Der Lauf des Lebens“ beleuchtet den ständigen Wandel jedes einzelnen Lebens, was hat Bestand, was verblasst. Was ist wichtig, was verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Es gibt Minuten im Leben, die haben mehr Gewicht als die vielen Jahre, die sie umgeben. Es gibt Momente im Leben, in denen die Zeit gleichzeitig stehenzubleiben und zu rasen scheint. Das Leben ist andauernd Veränderungen unterworfen, panta rhei – alles fließt, wie schon der griechische Philosoph Heraklit zu sagen pflegte.

Auch der Raum, in dem die drei Künstlerinnen ausstellen, spielt eine nicht unwesentliche Rolle, Ruprecht und Riederer positionieren ihre Werke gerne abseits von White Cubes, ein Sich-Einlassen auf den Raum ist somit zwingend. In der alten Shedhalle in der Spinnergasse in Dornbirn sind die beiden fündig geworden. Unverputztes oder verputztes Mauerwerk, Kabelwerk, eine große, stehengebliebene Werksuhr, verschiedene Böden, Lüftungsschächte, da und dort sind noch nicht mehr intakte Maschinen und andere Vorrichtungen zu sehen, etwas heruntergekommen, aber mit einer außergewöhnlichen Atmosphäre.

Ensō-Kreise und figürliche Malerei

Manche ihrer Werke gehen gelungene Symbiosen mit dem Raum ein wie z. B. Ruprechts Arbeit „Ruhe Bewahren“ (2023), eine Rauminstallation, ein Kreis von zerschlagenen Ziegeln, die sich in dem gemauerten Ziegelwerk spiegelt. Oder auch „Im Grunde genommen gibt es nichts“ (2022), karbonisierte Holzscheiben in verschiedenen Größen und Durchmessern, die an der Wand-, selbst von der Decke herab, hängen, der kreisrunden Öffnung des Belüftungsschachtes nachempfunden. Auch die Arbeiten von Antonia Riederer erinnern in ihrem Pinselstrich an Wassily Kandinsky, in der Farbgebung an Raoul Dufy. Sie hängt ihre Portraits neben einen Strang von Kabeln, die den Strich ihres Tuschestifts oder auch den ihres Pinsels „aufnehmen“. Gesättigte, reinbunte Farbtöne stehen zarten, hellen Tonwerten gegenüber. Riederers verwendete Technik der Acrylmalerei fordert ein zügiges Arbeiten, das kaum Möglichkeiten einer Korrektur erlaubt. Ihre in sich ruhenden Werke wie „Der Lauf des Lebens“ (2023) sind von ungeheurer Strahlkraft.

Das In-sich-Ruhende ist beiden Künstlerinnen zu eigen, Ruprecht beschäftigt sich mit den Ensō-Kreisen, die ja in enger Verbindung mit dem Zen-Buddhismus stehen. Meditatives, Fermaten und ruhendes sind Komponenten, derer sich beide bedienen; auch Ines Agostinelli, die auf großformatigen Papieren und Leinwänden körperhafte und doch abstrakte Erscheinungen formuliert. Das gestisch-experimentelle malerische Element ist ihr Duktus und Credo zugleich. Losgelöst vom klassischen Galeriebetrieb, lädt die CampusVäre, dank Ruprecht, Riederer und Agostinelli, zu einer einmaligen Entdeckungsreise ein. THS

CampusVäre Shedhalle, Spinnergasse 1, Dornbirn, bis 25. Juni 2023, Künstlerinnengespräch: 24. 6. 2023, 15 bis 17 Uhr