Der Lauf des Lebens

Antonia Riederer, Marie Ruprecht und Ines Agostinelli präsentieren in der CampusVäre/Dornbirn ihre Werke.
Dornbirn Unter dem Titel „Kunstsalon“ stellen derzeit Antonia Riederer (OÖ), Marie Ruprecht (OÖ) und Ines Agostinelli (V) aus. Vor fünf Jahren entwickelten die beiden erstgenannten bildenden Künstlerinnen und Absolventinnen der Kunstuniversität Linz den „Kunstsalon“ als neues Format, dessen Ziel es ist, ausgewählte Gastkünstlerinnen, in diesem Fall die Vorarlberger Künstlerin und Ausstellungsmacherin Ines Agostinelli, einzuladen und gemeinsam eine Ausstellung zu veranstalten. Dies nicht nur, um einen vertieften Austausch, sondern auch um mögliche Gegeneinladungen und die Bildung eines Netzwerks zu erreichen.

Alles fließt
Der Titel der Ausstellung „Der Lauf des Lebens“ beleuchtet den ständigen Wandel jedes einzelnen Lebens, was hat Bestand, was verblasst. Was ist wichtig, was verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Es gibt Minuten im Leben, die haben mehr Gewicht als die vielen Jahre, die sie umgeben. Es gibt Momente im Leben, in denen die Zeit gleichzeitig stehenzubleiben und zu rasen scheint. Das Leben ist andauernd Veränderungen unterworfen, panta rhei – alles fließt, wie schon der griechische Philosoph Heraklit zu sagen pflegte. Dass auch der Raum, in dem die drei Künstlerinnen ausstellen, eine nicht unwesentliche Rolle spielt, Ruprecht und Riederer positionieren ihre Werke gerne abseits von White Cubes, ein Sich-Einlassen auf den Raum ist somit zwingend. In der alten Shedhalle in der Spinnergasse in Dornbirn sind die beiden fündig geworden. Unverputztes oder verputztes Mauerwerk, Kabelwerk, eine große, stehengebliebene Werksuhr, verschiedene Böden, Lüftungsschächte, da und dort sind noch nicht mehr intakte Maschinen und andere Vorrichtungen zu sehen, etwas heruntergekommen, aber mit einer außergewöhnlichen Atmosphäre.

Ensō-Kreise und figürliche Malerei
Manche ihrer Werke gehen gelungene Symbiosen mit dem Raum ein wie z. B. Ruprechts Arbeit „Ruhe Bewahren“ (2023), eine Rauminstallation, ein Kreis von zerschlagenen Ziegeln, die sich in dem gemauerten Ziegelwerk spiegelt. Oder auch „Im Grunde genommen gibt es nichts“ (2022), karbonisierte Holzscheiben in verschiedenen Größen und Durchmessern, die an der Wand, selbst von der Decke herab, hängen, der kreisrunden Öffnung des Belüftungsschachtes nachempfunden. Auch Antonia Riederer, deren Pinselstrich an Wassily Kandinsky und deren Farbgebung an Raoul Dufy erinnert, hängt ihre „Portraits“ neben einen Kabelstrang auf, der den Strich ihres Tuschestifts oder Pinsels „aufnimmt“. Gesättigte, reinbunte Farbtöne stehen zarten, hellen Tonwerten gegenüber. Riederers verwendete Technik der Acrylmalerei fordert ein zügiges Arbeiten, das kaum Möglichkeiten einer Korrektur erlaubt. Ihre in sich ruhenden Werke wie „Der Lauf des Lebens“ (2023) sind von ungeheurer Strahlkraft.

Das in sich Ruhende ist beiden Künstlerinnen zu eigen, Ruprecht beschäftigt sich mit den Ensō-Kreisen, die ja in enger Verbindung mit dem Zen-Buddhismus stehen. Meditatives, Fermaten und in sich Ruhendes sind Komponenten, deren sich beide bedienen; auch Ines Agostinelli, die auf großformatigen Papieren und Leinwänden körperhafte und doch abstrakte Erscheinungen formuliert. Das gestisch-experimentelle malerische Element ist ihr Duktus und Credo zugleich. Losgelöst vom klassischen Galeriebetrieb, lädt die CampusVäre, dank Ruprecht, Riederer und Agostinelli zu einer einmaligen Entdeckungsreise ein.
Thomas Schiretz
CampusVäre Shedhalle, Spinnergasse 1, Dornbirn
Marie Ruprecht-Antonia Riederer-Ines Agostinelli
bis 25. Juni 2023
Künstlerinnengespräch: 24.6.2023, 15 bis 17 Uhr