Aus der Not eine Tugend gemacht

Bregenzer Kammerchor unter Hubert Herburger überzeugte mit fünfstimmiger Chormusik.
SCHWARZACH Perfekt vorbereitet präsentierte sich der Bregenzer Kammerchor unter seinem Gründer und Leiter Hubert Herburger am Sonntag in der vollbesetzten Pfarrkirche St. Sebastian zum Konzert „Laudate Dominum“ mit dem Organisten Michael Schwärzler. Die Blessuren von drei Jahren Pandemie mit Probenmanko und Mitgliederschwund sind beseitigt, der vor 36 Jahren gegründete Chor kann sich jetzt sogar über den Neuzugang von neun vor allem jüngeren Singbegeisterten unter 40 Jahren freuen, was das Durchschnittsalter deutlich senkt.
Um den bestehenden Überhang von 27 Frauen- zu neun Männerstimmen zu kompensieren, wollte Herburger aus der Not eine Tugend machen und diese Situation mit fast durchwegs fünfstimmiger Chorliteratur a-cappella für das Konzert sinnvoll nutzen: „Wir teilen das Sopranregister in 1 und 2, bzw. Mezzosopran, dann folgen Alt, Tenor und Bass. Das ergibt für mich eine gute klangliche Balance zwischen den fünf Stimmen, weil auch unsere Männerstimmen vor allem im Bass qualitativ sehr gut besetzt sind.“

Markenzeichen
Allerdings hat der Chorleiter mit dieser Entscheidung sich selbst und seinen Leuten das Leben nicht eben einfacher gemacht, weil ihm die Fünfstimmigkeit doch eine gewisse Beschränkung auferlegte und eine anspruchsvollere Einstudierung erforderte. Doch die Rechnung ist aufgegangen, der Chor besitzt damit einen individuell homogenen Klang als Markenzeichen. Fünfstimmige Chorliteratur wirkt in gekonnten Sätzen einfach um einiges reicher, bleibt aber trotzdem transparent, wenn ein Dirigent mit der Erfahrung Hubert Herburgers für die rechte Balance, saubere Intonation, Diktion und Präzision sorgt, mit suggestiv geistiger Kraft und einer Körperlichkeit, die oft bis zur Erschöpfung reicht. So gelingen Sweelincks kontrapunktisch dichtes „Laudate Dominum“, das innige „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Schütz und „Ich freue mich im Herren“ von Schein beispielhaft.
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Die guten Eigenschaften des Chors funktionieren auch in Kompositionen aus anderen Bereichen. Nicht ohne Hintergrund zur weltpolitischen Situation ausgewählt wurde ein ebenso schlichter wie festlicher Hymnus aus der Ukraine, Verdis „Pater noster“ erfährt eine leidenschaftlich auffahrende Deutung, die kraftvoll auch das Volumen des Chors ausschöpft. Von ganz anderem Zuschnitt, verinnerlicht und demütig, entsteht die ausdrucksstarke homophone „Vater unser“-Vertonung des namhaften österreichischen Zeitgenossen Herwig Reiter. Zwei weitere Motetten stammen von dem besonders im Chorbereich gefragten Dornbirner Komponisten Thomas Thurnher. „Mit neuen Bildern“, 2021 für diesen Chor entstanden, ist in leicht geschärfter Tonsprache mit breit aufgefächerter Dynamik eine intensive Auseinandersetzung mit der Textvorlage von Georg Bydlinski, das mit interessanten Reibungen versehene „Memorare“ wurde 2017 auf ein marianisches Bittgebet aus dem 15. Jahrhundert für den Kammerchor Feldkirch komponiert und bereits mehrfach aufgeführt.

Orgel als Kontrapunkt
Einen beachtlichen Orgel-Kontrapunkt zu diesen vokalen Kostbarkeiten setzt der in Lustenau als Kirchenmusiker tätige renommierte heimische Organist Michael Schwärzler. Auch er spannt von Bachs auftrumpfendem Es-Dur-Präludium über Orgelstücke in praller Romantik von Robert Schumann bis zur effektvoll virtuosen Orgelsuite des Engländers Malcolm Archer mit leichten U-Musik-Anklängen einen weiten Bogen, stets geschmackvoll registriert und mit musikantischer Ader technisch untadelig dargeboten.
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Der Bogen schließt sich mit Bachs Choralbearbeitung „Jesus bleibet meine Freude“ gemeinsam mit dem Chor.
FRITZ JURMANN