Magische Nacht auf der Seebühne

Kultur / 21.07.2023 • 19:57 Uhr
Die Wiederaufnahme von „Madame Butterfly“ ist ein großer Erfolg.
Die Wiederaufnahme von „Madame Butterfly“ ist ein großer Erfolg.

„Madame Butterfly“ triumphiert mit emotionaler Tiefe und musikalischer Brillanz.

Bregenz Die mit Spannung erwartete Wiederaufnahme der Seeproduktion von „Madame Butterfly“ auf der Bregenzer Seebühne begeisterte am Donnerstagabend einmal mehr das Publikum. Unter der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola entfaltete sich die Oper in ihrer ganzen emotionalen Tiefe und musikalischen Brillanz.

„Madame Butterfly“ erzählt die tragische Geschichte der jungen japanischen Geisha Cio-Cio-San, die sich in den amerikanischen Marineoffizier B. F. Pinkerton verliebt. Die Oper gipfelt in einem herzzerreißenden Finale, in dem Cio-Cio-San keinen anderen Ausweg sieht, als sich das Leben zu nehmen.

Für die Wiederaufnahme blieb die Inszenierung praktisch unverändert, jedoch wurden einige Effekte und die Nutzung des Bodensees in die Aufführung integriert. Das majestätische Papierboot schwebte sanft über das Wasser, Fürst Yamadori wurde per Sänfte getragen, während Heiratsvermittler Goro buchstäblich baden gehen musste. Zum dramatischen Schluss wurden zuerst Flammen auf die Bühne projiziert und anschließend echte Pyrotechnik in den Nachthimmel gezündet.

Grandiose Gesamtleistung

Die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva brilliert erneut als Cio-Cio-San und verkörpert die Titelfigur mit beeindruckender Intensität. Ihre Darbietung ist erstaunlich lyrisch und verletzlich anrührend, was den Charakter ihres Soprans grandios zum Ausdruck bringt. Otar Jorjikia überzeugt als B. F. Pinkerton mit einem grandiosen Tenor, der Belcanto und Eleganz in sich vereint und dem Duett mit Cio-Cio-San am Ende des ersten Aktes eine emotionale Wahrhaftigkeit verleiht, die vom Zauber des erfüllten Augenblicks geprägt ist.

Auch Annalisa Stroppa als Suzuki und Brett Polegato als Sharpless tragen wesentlich zu der herausragenden Gesamtleistung bei und verleihen der Oper zusätzliche Tiefe und Emotionalität.

Die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Enrique Mazzola und Yi-Chen Lin sorgen für eine packende und emotionale musikalische Untermalung, die die unterschiedlichen Gefühlszustände der Figuren gekonnt unterstützt und die gesamte Aufführung kongenial bereichert.

Subtile Herangehensweise

Das Regieteam, bestehend aus Regisseur Andreas Homoki und Bühnenbildner Michael Levine, erntet erneut großen Applaus für ihre ausgefeilte Inszenierung. Auf äußerst subtile Weise ist es ihnen gelungen, die überdimensionale Bühne in die Szenerie dieser intimen Oper zu integrieren. Das zarte Pergament mit seinen kunstvollen Tuschezeichnungen nach japanischer Tradition bildet den Hintergrund, vor dem sich die Geschichte von Cio-Cio San abspielt, und verleiht dem Stück eine poetisch-magische Wirkung. Levine gelingt es, den Zauber eines authentischen Seelenraums zu schaffen, der die Oper auf einzigartige Weise bereichert.

Homokis Interpretation mag auf den ersten Blick als eher traditionell und unauffällig erscheinen, unterstützt von so manchem Klischee. Dieser Eindruck greift jedoch zu kurz und verkennt die intelligente Herangehensweise des Regieteams. Die im Stück enthaltene Kritik am Kolonialismus bleibt keineswegs unbemerkt, sondern wird subtil in Szene gesetzt. Die Bühnenkonstruktion dient als Metapher für ein kulturell abgeschottetes und unberührtes Japan, das von den beiden Amerikanern Pinkerton und Konsul Sharpless mit der Ignoranz einer sich überlegen fühlenden Kultur durchbrochen wird. Folgerichtig reißen Pinkerton und Sharpless die Pergamentfolie einfach auf und dringen mit arroganter Selbstverständlichkeit in die ihnen unverständliche japanische Welt ein.

Videoprojektionen

Das Lichtdesign von Franck Evin trägt wesentlich zur Stimmung der Aufführung bei und unterstreicht die Emotionen der Hauptfigur Cio-Cio-San. Die ausgeklügelte Beleuchtung ermöglicht eine faszinierende Verwandlung der Bühne und verstärkt den Papiereffekt des Bühnenbildes. Evin schafft eine emotionale und visuell beeindruckende Atmosphäre, die das Publikum in die Welt von „Madame Butterfly“ eintauchen lässt. Die dezent eingesetzten Videoprojektionen von Luke Halls sorgen für zusätzliche Effekte, die die Inszenierung perfekt abrunden. Halls versteht es meisterhaft, die visuellen Elemente der Oper subtil einzusetzen und das Publikum so noch tiefer in die Handlung hineinzuziehen.

Ein weiterer Höhepunkt der Aufführung sind die Kostüme von Antony McDonald, dessen Kostümdesign das Gesamtbild der Oper perfekt ergänzt und die Darsteller wirkungsvoll in Szene setzt.

Die Tänzerinnen und Tänzer der Bregenzer Festspiele und des Wired Aerial Theatre beeindrucken einmal mehr mit ihren Darbietungen, die das Geschehen auf der Bühne gekonnt ergänzen und verstärken. Besondere Erwähnung verdienen auch der Bregenzer Festspielchor, der Prager Philharmonische Chor und die Statisterie der Bregenzer Festspiele. Ihre Leistungen tragen zu einer stimmigen Gesamtaufführung von „Madame Butterfly“ bei.

Alles in allem ist die Wiederaufnahme von „Madame Butterfly“ ein triumphaler Erfolg und ein unvergessliches Erlebnis, das noch lange in den Herzen der Zuschauer nachklingen wird. Der tosende Schlussapplaus des Premierenpublikums mit Bravorufen für Cio-Cio-San und B. F. Pinkerton war der beste Beweis dafür.

Barno Ismatullaeva brillierte als Cio-Cio-San,  Otar Jorjikia überzeugt als B. F. Pinkerton. VN/Steurer (3)
Barno Ismatullaeva brillierte als Cio-Cio-San,  Otar Jorjikia überzeugt als B. F. Pinkerton. VN/Steurer (3)
Echte Pyrotechnik wurde am Ende in den Nachthimmel gezündet.
Echte Pyrotechnik wurde am Ende in den Nachthimmel gezündet.