Im Auge des Farbensturms

Cigdem Aky stellt erstmalig in der Galerie Maximilian Hutz aus.
Darum geht’s:
- Cigdem Akys Malereien bestehen aus Tiefe, Struktur und Farbton.
- Akys Werke zeigen einen Kontrast zwischen kontrollierter und gestischer Malerei.
- Akys Arbeiten lassen die Zeit stillstehen und vermitteln ein unbeschreibliches Zeitgefühl.
hard Cigdem Akys Malereien bestehen im Grunde genommen aus drei Bausteinen, Tiefe, Struktur und Farbton. Genauer betrachtet und in ihrer äußerster Reduziertheit könnte man bei Akys Arbeiten von einer römischen Eins in der Mitte mit jeweils oben und unten einem Querbalken sprechen. Eine Form, die bei Aky immer wieder eine Wiederholung findet. Drei Bausteine ergeben auf der Leinwand einen Farbraum. Während das Rechteck in der Mitte des Bildes ein klares geometrisches Element bildet, und immer in Ölfarben ausgeführt ist, ist das „Drumherum – der Farbsturm“ immer in Acryl gehalten. Breite, dynamische Farbstreifen umrahmen das Rechteck in der Bildmitte und wirken so lebendig, als wären sie gerade erst fertig gemalt.

„Ich möchte den Eindruck erwecken, als wäre die Farbe, die ich auf die Leinwand übertragen habe, in Bewegung“, so Aky. Dem unglaublich dynamischen, spontanen Malduktus liegt die Bewegung ihres Körpers respektive die Kinetik ihres Pinselstrichs inne. Es ist dies eine genuin malerische Haltung, der erzählende Bildcharakter wird aufgelöst, die malerische Bildkomposition bildet die Klimax. „Malen ist das Ergebnis der Empfänglichkeit der Farbe, die Farbe öffnet sich dem Pinsel, der Pinsel der Hand und die Hand dem Herzen“, schrieb Tao Chi, einer der berühmtesten chinesischen Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts. Aky vereint Gegensätze, kontrollierte, konstruktive Malerei und unkontrollierte, gestische Malerei, das sind für sie die beiden größten Gegensätze in der Malerei. Ein „contrasto“, der größer nicht sein kann.

Cigdem Aky wurde in 1989 in München geboren, studierte an der Akademie der Bildenden Künste/München und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei Prof. Helmut Dorner. Sie begann mit Portraitmalerei und löste schrittweise die Figur, die sie darzustellen versuchte, auf. Treffsicher und ungekünstelt kreiert sie die unterschiedlichsten Farbräume, ihr geht es um die „Sogwirkung“ ihrer Arbeiten: „Bei der Zusammensetzung der Farben zu einem Farbraum geht es mir darum, dass das Bild insgesamt seine größtmöglichste Tiefe erreicht, in die der Betrachter hineingezogen wird und die ihn gefangen nimmt.“ Werktitel wie „Bloody Mary“ (2023), „Marillenlikör“ (2023); „Fruits“ (2020), oder „Grey Blue“ (2022) verweisen nicht nur auf von ihr bevorzugte Farben, sondern auch auf bestimmte Emotion, auch beim Rezipienten. „Die Idee geht dem Pinsel voraus. Das Wunderbare liegt jenseits des Gemalten“, wie der Qing-Kunsttheoretiker Huang Yue (18. Jh. ) schrieb.

Akys Arbeiten lassen „ausschwingen“, scheinen die Zeit stillstehen zu lassen, aggregierte Zustände und doch in Bewegung begriffen, ätherische Leichtigkeit im Wechselspiel mit bleierner Schwere. Sie befreien von Narrativen, und vermitteln ein nahezu unbeschreibliches Zeitgefühl: geronnene Zeit.
Thomas Schiretz