Der verdammte Zuschauer

Die Inszenierung des Romans „Fabian“ von Erich Kästner feierte Premiere.
Bregenz In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Tausende Bücher verboten oder öffentlich verbrannt. Unter ihnen auch die von Erich Kästner, der selbst dabei war, als seine Werke zu Asche wurden. Die Kritik an der politischen Blindheit der Bevölkerung spiegelt primär sein Roman „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ wider, dessen Erzählung sich in den wilden 1920ern in Berlin abspielt.
Der melancholischen Geschichte von Jakob Fabian, einem Reklameschreiber, hat Max Merker mit seiner brillanten Inszenierung (in Koproduktion mit TOBS Theater Orchester Biel Solothurn) einen Hauch von Humor und Kuriosität verliehen. Mit seinem gelungenen Slapstick „Kafka in Farbe“ zeigte Merker bereits im Frühjahr, dass er ein Faible dafür hat. So konnte sich das Publikum am Freitagabend bei der Premiere von „Fabian“ im Vorarlberger Landestheater das Lachen nicht verkneifen – das auch mal im Halse stecken blieb.
Lebendigkeit
Vor den roten Vorhang tritt zuerst die beeindruckende Milva Stark. Sie spricht mit Akzent und schlüpft in dem Stück in insgesamt acht Rollen. Jede einzelne spielt sie mit voller Überzeugung. Hinter dem Vorhang versteckt sich passend zu den 1920er-Jahren ein Bühnenbild im Art-Déco-Stil. Mit der Gesangseinlage von Gilbert Handler, der den ganzen Abend moderne Klassiker aufführte und den Moritatensänger spielt, bekommt das Stück eine Lebendigkeit. „Ich bin meist der Zuschauer“, sagt Aaron Hitz in der Hauptrolle des Jakob Fabian. „Mein Nebenberuf ist Leben“, fügt er noch hinzu. Hitz verkörpert den verlorenen Herr Fabian genau so, wie man sich den Charakter beim Lesen des Romans vorgestellt hat: Mit einem nervösen Gemüt und einer Prise Schusseligkeit.
Bühnenbild
Immer wieder wird die Erzählung von einem lauten, verlangsamten Herzschlag unterbrochen. Hitz greift sich mehrfach an die Brust und muss sich abstützen. So macht Merker auf den Herzfehler von Jakob Fabian aufmerksam, den auch der Autor Erich Kästner selbst hatte. Dieser ist durch einen starken Drill beim Militär entstanden. An dem Abend sorgt nicht nur Gilbert Handler für musikalische Glanzleistung. Auch Maximilian Kraus, der in die Rolle des engagierten und wohlhabenden Freundes Stefan Labude schlüpft, beweist sein Talent. Während Jakob Fabian seine Liebe Cornelia Battenberg, raffiniert gespielt mit einem Touch von Unschuld und Kindlichkeit von Johanna Köster, kennenlernt, erhellt Labude das Theater mit seiner Stimme. Für großartige und schnelle Szenenwechsel sorgten zwei Drehscheiben auf der Bühne, die stets synchronisiert in Bewegung sind. Sie werden im Hintergrund manuell von der Technik (Manuel und Johannes) gedreht. So kann Fabians mühsamer Weg zum Arbeitsamt deutlich gemacht werden. Von einer Drehscheibe zur nächsten kreuz und quer durch ganz Berlin, die Wände bewegen sich mit. Maximilian Kraus schlüpft dabei in mehrere Rollen der Mitarbeiter des Arbeitsamtes, mal mit bayrischem und mal mit sächsischem Dialekt.
Das Stück nimmt jedoch ein tragisches Ende, wie im Buch. Wie Milva Stark zu Beginn sagte: „Es gehen und kommen wichtige Menschen. Die unwichtigen bleiben.“ Ob man mit dem Strom schwimmt, ist die Frage. Das Stück „Fabian“ könnte man als ein erfolgreiches Kabarett bezeichnen, mit einer Mischung der modernen Anpassung. Wer eine tiefgründige, parodistische und kritikreiche Aufführung, angeknüpft an alte sowie aktuelle Ereignisse, sehen möchte, muss im Vorarlberger Landestheater einen Stopp einlegen.



