Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Das Recht auf Existenz

Kultur / 03.11.2023 • 18:38 Uhr

In der Nacht auf Allerheiligen hat es einen Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes gegeben. Der Vorraum der Zeremonienhalle ist ausgebrannt, rituelle Gegenstände wurden zerstört, auf der Außenmauer wurden von dem oder den Tätern auch nationalsozialistische Zeichen – ein Hakenkreuz und der Schriftzug „Hitler“ – aufgesprüht. Dieser Anschlag ist nur ein kleiner Ausschnitt jener antisemitischen Vorfälle, die sich seit dem laufenden Krieg Israels mit der palästinensischen Terrorgruppe Hamas in Österreich und Deutschland häufen. Die Spitzen der Politik zeigen sich bestürzt, in Deutschland hat Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen eine aufsehenerregende Rede gegen den wachsenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft gehalten. Nachdrücklich mahnte Habeck das Bekenntnis zur Sicherheit Israels an. „Das Existenzrecht Israels darf nicht relativiert werden“, das sei auch eine Folge der historischen deutschen Verantwortung aufgrund des Holocausts. Ebenso müsse gewährleistet sein, „dass Jüdinnen und Juden frei und sicher in Deutschland leben können“. Wir dürfen ergänzen: Das gilt wortgleich auch für Österreich, das gerne seine Mitschuld am Nationalsozialismus und an den millionenfachen Morden an Juden herunterspielt.

Um falschen Schlüssen gleich vorzubeugen: Es gibt natürlich ein gleiches „Existenzrecht“ für die Palästinenser. Das vorher Gesagte kann und soll ebenso nicht die Gräuel, denen die Palästinenser im Gazastreifen ausgesetzt sind, in den Hintergrund drängen, ebenso nicht die oft verfehlte Politik Israels – besonders erwähnt sei die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik im Westjordanland – in vielen Bereichen. All das schließt ein, dass die einzige Lösung in dieser seit vielen Jahrzehnten anhaltenden Krisenregion wohl nur in einer Zweistaatenlösung, also in einem Staate Israel und einem Staat für die Palästinenser, liegen kann. Wie das allerdings unter den heutigen Voraussetzungen möglich sein kann, bleibt verborgen.

Dieser Einschub war notwendig, er mindert aber nicht die Verurteilung der Terrorgruppe Hamas, die mit ihrem Überfall auf Israel, mit der Ermordung und Geiselnahme von Hunderten Menschen, nicht zuletzt Frauen, Kindern und Alten, ihre ganze Brutalität bewiesen hat. Die Hamas hat damit gezeigt, dass es ihr nicht um einen möglichen Ausgleich, sondern um die Auslöschung Israels geht. Darf man sich wundern, wenn sich die Menschen in Israel, deren Eltern vor Jahrzehnten den Gräueln des Naziterrors entflohen waren, wieder dieser furchtbaren Zeit erinnern. Schon damals wollten die Nazis die Juden „ausrotten“, sechs Millionen jüdische Menschen sind in den Konzentrationslagern und anderswo umgebracht worden. Und heute ist der Staat Israel von Staaten und Terrororganisationen umgeben, die sie wiederum „auslöschen“ wollen. Ich hab es mit Habeck: „Das Existenzrecht Israels darf nicht relativiert werden.“

„Um falschen Schlüssen gleich vorzubeugen: Es gibt natürlich ein gleiches ,Existenzrecht‘ für die Palästinenser.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.