Weihnachten sollte leise sein

Kultur / 14.12.2023 • 17:05 Uhr
Beim letzten Abonnementkonzert der Saison betrat Johannes Hämmerle erneut Neuland.   <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Beim letzten Abonnementkonzert der Saison betrat Johannes Hämmerle erneut Neuland. Fritz Jurmann

Johannes Hämmerle entdeckt verschollene Kantaten des Barockkomponisten Johann Kuhnau.

GÖTZIS Das war die Stunde des Johannes Hämmerle, Mitbegründer und Mitdenker beim ehrgeizigen und inhaltlich wohl unerschöpflichen Projekt des international beachteten Barockorchesters Concerto Stella Matutina. Entgegen seiner sonstigen Position thronte er in der mit Kerzen weihnachtlich geschmückten Kulturbühne AmBach in alter Kapellmeistermanier mit dem Rücken zum Publikum an seiner Truhenorgel und hatte damit das diesmal mit 15 Sängern und Musikern schlank besetzte Ensemble im Halbrund vor sich. Da er ständig mitspielte, hatte ein Blick, eine Kopfbewegung von ihm als Einsatz oder Spielanleitung an diesem Abend mehr Gewicht als oft manch bemühte Ambitionen eines Dirigenten.

Das Gerüst des Konzerts bildeten drei Weihnachtskantaten des deutschen Komponisten und Organisten Johann Kuhnau.  <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Das Gerüst des Konzerts bildeten drei Weihnachtskantaten des deutschen Komponisten und Organisten Johann Kuhnau. Fritz Jurmann

Für dieses letzte Abo-Konzert der Saison hat Johannes Hämmerle wieder einmal unbekanntes Terrain ergründet. Das Gerüst bilden drei sehr unterschiedliche Weihnachtskantaten des fast vergessenen deutschen Komponisten, Organisten und Musiktheoretikers Johann Kuhnau (1660 – 1722). Doch besitzen die von Hämmerle ausgegrabenen und für den praktischen Gebrauch eingerichteten Werke genug Substanz, um einen Abend von pausenlosen 90 Minuten zu tragen. Sie vermitteln in ihrer wohlig heimeligen Stimmung auch mehr inwendigen als spektakulären Charakter: Weihnachten sollte leise sein.

Die neue Saison von Concerto Stella Matutina beginnt am 8. März 2024.  <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Die neue Saison von Concerto Stella Matutina beginnt am 8. März 2024. Fritz Jurmann

Festlich und freudig, als eine Art Geburtstagsständchen für das Jesuskind mit drei Barocktrompeten und Pauken, präsentiert sich allein die erste Kantate „zum ersten Weihnachtstag“, in der die vier internationalen Vokalsolisten sich gleich als fein aufeinander abgestimmter Chor offenbaren: „Frohlocket, ihr Völker“. Daraus schälen sich in der Arie „Kleines Kind und großer Held“ der koloraturfreudige Schweizer Tenor Jakob Pilgram mit den Umspielungen der konzertierenden Violine von Konzertmeister David Drabek und der aus Ghana stammende Altus Yosemeh Adjei mit „Willkommen, mein Leben“. Kleine stimmliche Unsicherheiten in seiner interessant gefärbten Stimme sind bei ihm verzeihlich, da er als Einspringer das unbekannte Repertoire in Kürze neu einstudieren musste. Ergänzt wird das Vokalquartett durch die aus Buchs stammende Sopranistin Anna Gschwend als noble Bühnenerscheinung und den verlässlichen Bass Maximilian Schnabel aus Niederösterreich.

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Im Gegensatz dazu gibt sich Kuhnaus zweite Kantate, „Uns ist ein Kind geboren“, als still betrachtendes Werk an der Krippe mit liedhaften kleinen Arien und einfachen Texten. Anstelle von Trompeten schmücken hier Blockflöten und Oboen reizvoll das originale Klangspektrum. Die dritte Kantate Kuhnaus nach dem bekannten Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ umfasst dann quasi die gesamte Heilsgeschichte, mit Visionen von der Apokalypse bis zur Vollendung in der Auferstehung. Hämmerle dazu: „Kuhnau hat hier in 15 Minuten kompakt eine Geschichte dargestellt, wozu Händel später in seinem ‚Messias‘ über zwei Stunden brauchte.“ Für unsere Ohren zwar unbekanntes Repertoire, das aber durch seine fesselnde Textausdeutung und den musikalischen Reichtum als Finale starken Eindruck hinterlässt. Als Einstimmung dazu wiegen die beiden solistischen Oboen von Elisabeth Baumer und Alesia Varapayeva im „Pastorale per la Notte di Natale“ von Heinichen das Jesuskind im 12/8-Takt in den Schlaf. Ganz und gar weihnachtlich werden die begeisterten Zuhörer mit dem alten „In dulci jubilo“ als Zugabe hinaus in die kalte Winternacht entlassen.


FRITZ JURMANN
Die neue Saison von Concerto Stella Matutina beginnt am 8. März 2024