Trautes Heim, Glück allein

Kultur / 19.01.2024 • 12:25 Uhr
"Die Erwachsenen": Ein Theaterabend mit der Präzision eines Uhrwerks, dank hervorragender Schauspieler und Diwiaks Text.
"Die Erwachsenen": Ein Theaterabend mit der Präzision eines Uhrwerks, dank hervorragender Schauspieler und Diwiaks Text.

Theater Kosmos zeigt im Kosmodrom die Uraufführung „Die Erwachsenen“ von Irene Diwiak.

Bregenz Ursprünglich war ja die Uraufführung von „Die Erwachsenen“ als vierte Jahresproduktion für 2023 geplant, wurde dann aber aus nicht näher erklärten Gründen durch das Stück „#dieteilzeitlosen“ ersetzt. „Die Erwachsenen“ gewann den zweiten Platz des Ingo & Ingeborg Springenschmid Preis, den das Theater Kosmos im Jahr 2022 erstmals auslobte. Der Inhalt von „Die Erwachsenen“ ist schnell erzählt und beginnt wie alle toxischen Geschichten mit einem scheinbar zufriedenen, glücklichen Ehepaar, Theresa und Thore, das sich irgendwo ein feines Nest eingerichtet hat und nun zusammen alt werden kann … bis urplötzlich, (das ist immer so), von irgendwo her ein Störenfried, dieses Mal in Form einer Schwester und zwar der von Thore, mit Namen Swintha, aufkreuzt. Es kommt wie es kommen muss, alte schon längst zugeschüttete Gräben werden wieder aufgerissen, die allzu perfekte Fassade beginnt zu bröckeln, ob Kinderwunsch, Alkohol, heile Familie, Gutmensch. Man erfährt, dass Swinthas und Thores Vater ein fanatischer Rechtsextremist war, ein Schläger und ein Spinner, ein Rassist, ein Extremist; aber „unsere Eltern sind nun mal unsere Eltern“, sagt Thore fatalistisch. Schließlich geht’s ans Eingemachte. Es geht um den schon als Kind verstorbenen Frido, der jüngere Bruder von Swintha und Thore. Theresa, die zuvor von ihrem Thore noch gemaßregelt worden ist „du redest permanent über Dinge, die du nicht verstehst“ (Thore zu Theresa), tritt betrunken in ihrem Brautkleid auf, und stellt die Frage der Fragen: „Wie ist Frido gestorben?“

Gänsehaut macht sich breit, wenn während Thores Monolog über Fridos Tod ein Winterwald auf die Wände projiziert wird.
Gänsehaut macht sich breit, wenn während Thores Monolog über Fridos Tod ein Winterwald auf die Wände projiziert wird.

Ist schon dunkel, ist schon kalt …
Der kleine Bruder Frido ist damals vor 20 Jahren bei einer Art Schnitzeljagd, einer Veranstaltung eines „identitären“ Jugendvereins, der sich zur Tarnung als katholischer Jugendverein auszugeben hatte, im Wald verstorben. Die Jugendlichen und Kinder wurden mit Schlägen und Drill auf ihre zukünftige Rolle als Rechtsaußen in der Gesellschaft vorbereitet. Bilder von Michael Hanekes Film „Das weiße Band“ (2009) drängen sich auf. Thore, der einen kleinen Trupp dieser Jugendlichen anführt, hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Geländespiel, wer zuerst bei einer abgelegenen Hütte ankommt, zu gewinnen. Leider wurde ihnen aber der schwache, schmächtige Frido zugelost – die einzige Schwachstelle, die das ganze Unternehmen mächtig ins Wanken bringen könnte, und so wurde Frido einfach, weil er mit den anderen, weit älteren und stärkeren Jungs nicht mithalten konnte, im Winterwald zurückgelassen, wo er erfror. Frido – Schneeengel. Verantwortlich dafür war einzig Thores anerzogene Haltung, das Schwache gilt es, auszumerzen, „wer nicht kämpft, hat schon verloren“. Es macht sich ein Frösteln breit, wenn bei Thores Monolog über Fridos Tod auf die Wände des trauten Heims plötzlich ein Winterwald projiziert wird, der, je länger dieses Gedankengespräch dauert, immer mehr Eis und Schnee ansetzt und zur tödlichen Falle mutiert (Bühne: Mandy Hanke!). Genialer Einfall. „Wir wurden erwachsen und Frido hörte auf zu existieren“, resümiert hingegen Swintha lapidar.

Kompliment für Katharina Dalichau, Caroline M. Hochfelner und Boris Schumm. <span class="copyright"> theater kosmos</span>
Kompliment für Katharina Dalichau, Caroline M. Hochfelner und Boris Schumm. theater kosmos

Bravouröse Gesamtleistung
Kompliment an die Schauspieler. Katharina Dalichau als Swintha, Caroline M. Hochfelner als Theresa und Boris Schumm als Thore, perfekt aufeinander abgestimmt (in nur 12 Probentagen!). Die Regie von Sabine Lorenz führte die drei sehr bestimmt, aber behutsam durch das Psychogramm. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Ein goldener Schnitt. Inwieweit das Stück einen Blick auf die „Neue Rechte“, die Reichsbürger, die Identitären wirft, muss ebenso diskutiert werden wie die Frage, ob das Aussprechen abgründiger Wahrheiten Hoffnung birgt. Ein Theaterabend mit der Präzision eines Uhrwerks, was neben den hervorragenden Schauspielern auch an Diwiaks Text liegt. Tick, tack, tick, tack …

Thomas Schiretz

Vorstellungen: 19. / 20. / 24. / 25. / 26. Jänner, jeweils 20 Uhr

www.theaterkosmos.at