Die Augen der Angelika Kauffmann

Sarah Bechter, Mahmut Celayir und sechs neue Mitglieder stellen im Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis aus.
Bregenz Auf den 17 kleinformatigen Arbeiten von Sarah Bechter im ersten Obergeschoss des Palais ist jeweils immer nur ein Augenpaar zu sehen. Betitelt sind die Arbeiten mit „Hi from …“, was so viel wie „Hallo, oder „Grüß Dich“ bedeutet und man könnte lakonisch von Grußkarten sprechen. Das “Hi from“ kommt von niemand Geringerem als beispielsweise Angelika Kauffmann, Artemisia Gentileschi, Paula Modersohn-Becker oder Catarina van Hemessen.

Sie waren bedeutende Künstlerinnen, die zu ihrer Zeit zu den größten ihrer Zunft zählten. So gilt Hemessen als erste flämische Künstlerin mit signierten und datierten Gemälden und als erste Malerin der Kunstgeschichte, die sich selbst bei der Arbeit zeigt.

Es gibt aber auch ein „Hi from Sarah Bechter“. Assoziationen zu Sergio Leones Westernklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ drängen sich auf, denn nie zuvor und nie danach hat man Augenpaare (Charles Bronson/Henry Fonda) in Cinemascope gesehen, die die ganze Kinoleinwand ausfüllen.

Allerdings sprechen Sarah Bechters Augenpaare eine andere Sprache. Es geht, kurz gesagt, um die Frau in der Kunst. Noch heute spricht man bei Meisterwerken von Künstlerinnen weitgehend von einem „piece of art/Kunstwerk“, hingegen bei Künstlern von einem „Masterpiece/Meisterwerk“. Damit ist wohl alles schon gesagt.

Bechters Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld von Macht, männlichem Blick, vorgegebenen Strukturen, Zwängen und komplexen Mustern. Ihre großformatigen Arbeiten setzen sich mit diesen Begriffen auseinander. Mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wie Pinsel, Farbe und Leinwand versucht sie, vielschichtige Fragen zu stellen bzw. zu erforschen und auszubrechen. Ihre Extrakte sind hochpotenzierte Destillate, die sich nicht nur mit den Bedingungen und Ambivalenzen der Malerei auseinandersetzen, sondern auch den Blick des Betrachters oft neu definieren.

Sechs neue Mitglieder
Im vergangenen Jahr wurden von der Berufsvereinigung sechs neue Mitglieder mit Vorarlbergbezug aufgenommen: Franz Amann, Marcel Amann, Norbert Gruber, Angelika Krinzinger, Judith Saupper und Susanne Wimmer. Sie alle präsentieren ihre Arbeiten im Kellergeschoss des Palais Thurn & Taxis.
Judith Sauppers Hängeobjekte sind mit Witz, Charme und Doppelbödigkeit versehen, darunter die Arbeit „Egos stolen lifes #3“ („Entschwindendes Krakenweibchen“) oder „Egos stolen lifes #4“ („Schweizerin“). Franz Amann zeigt Textilien-Collagen u. a. von einer Vivienne Westwood Hose (Poetics of Homo Economicus, 2022) und Norbert Gruber Landschaften in Acrylfarben. Angelika Krinzinger irritiert mit Fotografien, verwandt zu Sarah Bechters Arbeiten, jeweils nur mit Ausschnitten von Auge, Mund, Brustwarze.

Die Straße des Königs
Mahumut Celayir zeigt im Dachgeschoss Arbeiten, die großteils in den letzten zwei Monaten während seiner Residenz in Bregenz entstanden sind, und stellt Motive aus seiner ostanatolischen Heimat („Die Straße des Königs“, von der schon Herodot berichtet) Motiven rund um den Bodensee („Auf den Spuren des Lichts“) gegenüber. Das seit 2022 neu eingeführte Format „… im Erdgeschoss“ wird an verschiedenen Terminen und unter Themen wie „Die HumanKapitalisten“, „Agressives Rosa“ oder auch „Entschleunigungsfabrik“ ebendort realisiert.
Thomas Schiretz