Antigone muss sterben

Ein Meisterwerk zwischen Vergangenheit und Gegenwart im Theater Kosmos.
Bregenz “Antigone”, das Drama des antiken griechischen Dichters Sophokles, erzählt die Geschichte der titelgebenden Heldin, die sich dem Befehl des Königs Kreon widersetzt, indem sie ihren gefallenen Bruder Polyneikes entgegen dem Verbot bestattet.

Ihr Akt des zivilen Ungehorsams und ihr standhaftes Eintreten für göttliche Gesetze und familiäre Pflichten führen zu einem tragischen Konflikt mit Kreon, der die Autorität des Staates über persönliche Moral und familiäre Bindungen stellt. Die unerbittliche Haltung beider Parteien mündet in eine Tragödie, die Tod und Leid über die königliche Familie bringt und die Zerbrechlichkeit menschlicher Entscheidungen vor Augen führt.
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Michael Köhlmeier gelingt es auf beeindruckende Weise, die antike Geschichte der Antigone in eine zeitgemäße und zugleich zeitlose Sprache und Form zu übersetzen. Bekannt für seine Fähigkeit, komplexe mythologische Stoffe einem breiten Publikum zugänglich zu machen, nutzt Köhlmeier seine erzählerische Brillanz, um die moralischen und ethischen Fragen, die dem Drama zugrunde liegen, neu zu beleuchten. Seine “Antigone” ist nicht nur eine Nacherzählung, sondern eine tiefgründige Auseinandersetzung mit menschlichen Werten und Konflikten, die Jahrtausende überdauern. Köhlmeier hat mit “Antigone” einmal mehr bewiesen, dass er nicht nur ein Meister der Erzählkunst, sondern auch ein Meister der Sprache ist. Jeder Satz ist wie eine kostbare Perle, die zusammen einen Text von bezaubernder Schönheit ergeben.

Die Inszenierung von Robert Pienz trägt wesentlich zur Einzigartigkeit der Aufführung bei. Pienz leuchtet die tiefgründigen Themen von Macht, Gerechtigkeit und menschlichem Widerstand intensiv aus und bringt die schauspielerischen Talente voll zur Entfaltung.

Olaf Salzer als Kreon und Magdalena Lermer als Antigone bieten großartige schauspielerische Leistungen. Salzers Darstellung des Herrschers macht dessen Machtausübung und das damit verbundene moralische Dilemma zwar nicht menschlich, aber doch nachvollziehbar und steht damit in faszinierendem Kontrast zu Lermers kraftvoller und emotionaler Darstellung der Antigone, einer jungen Frau, die im Angesicht von Unrecht und Tyrannei standhaft bleibt.

Kreon hat keinen Chor, sondern ein Trio, exzellent gespielt von René Eichinger, Michael Zehentner und Michael Graf, eine Art burleske Vermittler, die gekonnt die Rolle der traditionellen Manipulatoren der öffentlichen Meinung übernehmen. Ihre Darstellung geht über die bloße Wiedergabe der Ereignisse hinaus. Vielmehr verknüpfen sie die unmittelbare Handlung von Antigone und Kreon mit größeren mythologischen Zusammenhängen, wodurch die Geschichte für das Publikum nicht nur zugänglicher, sondern auch reichhaltiger wird. Auch für Zuschauer, denen die antike Welt bisher fremd war, bilden diese Figuren eine Brücke zum Verständnis. Durch ihre lebendige Erzählweise und die Verwendung von Strickmasken, die ihre Gesichter verdecken, gelingt es ihnen, mit Körper und Stimme humorvolle Akzente zu setzen.

Das Bühnenbild von Ragna Heiny und das Lichtdesign von Marcel Busá schaffen eine minimalistische, ausdrucksstarke Umgebung, welche die dramatische Intensität des Stückes unterstreicht. Der sparsame Einsatz von Requisiten und Dekorationen lenkt die Aufmerksamkeit auf die Schauspieler und ihre Interaktionen, während die Lichteffekte die Stimmungen und Themen des Dramas subtil unterstreichen.

Köhlmeiers Text, Pienz’ Regie und die Leistung des gesamten Ensembles machten “Antigone” zu einem unvergesslichen Erlebnis. Eine Aufführung, die nicht nur die Schönheit und Vielschichtigkeit des Werkes von Sophokles zeigt, sondern auch die unermüdliche Suche des Menschen nach Wahrheit und Gerechtigkeit in einer immer komplexer werdenden Welt. Köhlmeiers Interpretation des antiken Dramas bietet Gelegenheit, über die Grundwerte einer gerechten und humanen Gesellschaft nachzudenken.

“Antigone” im Theater Kosmos
10., 17., 22., 23., 24. Februar, 2. März jeweils 20 Uhr
18. Februar und 3. März um 17 Uhr