„Andrea lässt sich scheiden”: Josef Hader beglückt rundum

Kultur / 20.02.2024 • 16:45 Uhr
„Andrea lässt sich scheiden" ist ein detailgenau stimmiger Film, der ohne Klischees auskommt. <span class="copyright">wega film </span>
„Andrea lässt sich scheiden" ist ein detailgenau stimmiger Film, der ohne Klischees auskommt. wega film

Josef Hader ist auch mit seiner neuen Arbeit wieder ein beachtliches Werk gelungen.

Drama Eine von ein paar Alleebäumen gesäumte Landstraße, rechts und links Felder. Dazu erklingt die oberösterreichische Landeshymne „Hoamatland”. Die erste Einstellung von Josef Haders Beitrag im Berlinale-Panorama, „Andrea lässt sich scheiden”, vermittelt die jahrhundertelange Unveränderlichkeit der Landschaft. In sie bricht die individuelle Katastrophe einer ihrer Bewohnerinnen.

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Andrea (Birgit Minichmayr) ist Dorfpolizistin. Jeder kennt jeden auf dem Land, man ist per „du”, das macht die ohnedies wenig spannenden Amtshandlungen mitunter kompliziert. Deshalb hat sich Andrea für die Kriminalarbeit in der Landeshauptstadt St. Pölten beworben.

Und dann passiert es: Eine kleine Unachtsamkeit, und ihr Auto kollidiert auf der nächtlichen Heimfahrt von einer Geburtstagsfeier mit ihrem auf der Straße torkelnden Ehemann, von dem sie sich demnächst scheiden lassen wollte. Nachdem verzweifelte Wiederbelebungsversuche vergeblich bleiben, entscheidet sich Andrea zur Fahrerflucht.

Abweisende gesichtslose Einfamilienhäuser, wenig Leben in den reizlosen Dörfern, die Frauen ziehen weg, den Männern ist der Alkohol ein treuer Begleiter durchs Leben. Österreichs Ostregion kann mit dörflicher Idylle nicht punkten. Nach dem Vorfall will Andrea diesem Ambiente, das sie nun auf Schritt und Tritt mit dem Tod ihres Mannes konfrontiert, noch schneller entfliehen. Zusätzlich drückt auf ihre Seele, dass ihr Mann von einem nachfolgenden Pkw überrollt wurde und dessen Fahrer nun für den Unfalltod verantwortlich gemacht wird.

Der Kabarettist Josef Hader im Rahmen der Dreharbeiten füŸr den Film „Andrea läŠsst sich scheiden”. <span class="copyright">apa/WODICKA LUKAS</span>
Der Kabarettist Josef Hader im Rahmen der Dreharbeiten füŸr den Film „Andrea läŠsst sich scheiden”. apa/WODICKA LUKAS

Andrea ist eine robuste, selbstbewusste Polizistin, die ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben weiß. Doch die Ehrlichkeit und Offenheit des Pkw-Fahrers, des versponnenen Religionslehrers Franz (gespielt von Josef Hader selbst), setzen ihr zu. Ihn, der bereitwillig alle Schuld auf sich nimmt, gleichsam ein Gegenentwurf zu ihr, versucht Andrea mit Wiedergutmachungsgesten aus schlechtem Gewissen vor einer Verurteilung zu retten.

„Andrea lässt sich scheiden” ist ein detailgenau stimmiger Film, der ohne Klischees auskommt und zudem von der realitätsnahen Darstellung ausgezeichneter österreichischer Schauspieler (Thomas Schubert, Branko Samarovski, Robert Stadlober und andere) lebt. Birgit Minichmayr zeigt lediglich mit ihrer Mimik, wie sehr es in der Figur der Andrea gärt, wie schwer es ist, ohne sich mitteilen zu können, nach außen stark zu bleiben.

Andrea (Birgit Minichmayr) ist Dorfpolizistin. Jeder kennt jeden auf dem Land, man ist per „du", das macht die ohnedies wenig spannenden Amtshandlungen mitunter kompliziert. <span class="copyright">wega film </span>
Andrea (Birgit Minichmayr) ist Dorfpolizistin. Jeder kennt jeden auf dem Land, man ist per „du", das macht die ohnedies wenig spannenden Amtshandlungen mitunter kompliziert. wega film

Josef Hader ist auch mit seiner neuen Arbeit wieder ein beachtliches Werk gelungen: Als Darsteller des liebenswürdig verschrobenen Lehrers ebenso wie als Co-Autor eines überzeugenden Drehbuchs. Insbesondere aber als Regisseur, der eine Alltagstragödie unaufgeregt, fast leise erzählt und dabei selbst die unspektakulärsten Kleinigkeiten im Bild nicht vergisst. Den Zuschauenden wird der Eindruck vermittelt, dass sie durch ein Guckloch an einem Ausschnitt des realen Lebens teilhaben. Ein Film, dem nichts fehlt.

Andrea Lässt sich scheiden

A 2024

90 min

Regie: Josef Hader

Mit: Birgit Minichmayr, Josef Hader, Robert Stadlober, Thomas Schubert, Thomas Stipsits, Branko Samarovski

Start: 23. Februar