Kein Weg zu weit

Bildraum Bodensee zeigt Werke von Mathias Kessler
Bregenz Mathias Kessler,1968 im Kleinwalsertal geboren, erinnert auf seiner Suche nach dem perfekten Sujet für ein perfektes Foto an den kompromisslosen Filmemacher Werner Herzog. Ob es nun Eisberge jenseits des 69. Breitengrades sind, oder die grüne Hölle im Amazonasgebiet, oder Matewan, West Virginia, eines der weltweit größten Kohleabbaugebiete, für Kessler ist kein Weg zu weit, keine Anfahrt zu beschwerlich.

Von vielerlei Strapazen und finanziellen Aufwendungen einmal abgesehen, ziehen sich seine Expeditionen wie ein roter Faden durch sein Werk und umfassen damit jene Dichotomien, die sein Werk beinhalten: Leben/Tod, Kunst/Künstlichkeit, Tag/Nacht, heiß/kalt, hell/dunkel. Sie sind selbst zum Werk geworden. Aber Kessler ist kein Getriebener und steht nicht permanent unter Strom. Kessler strahlt Gelassenheit aus und gehört zu den Stillen im Land. Unaufgeregt schildert er von seiner Suche nach dem Ultimativen und von der äußerst desaströsen Haltung des Menschen gegenüber seinem Habitat.

Unberührte Winterlandschaft
Man muss sich nur einmal seinen dystopischen Film „Das Resort“ (2021) ansehen, der 18 Preise gewonnen hat, und über 30 Nominierungen! vorzuweisen hat. Es ist ein wunderbar poetischer Film, ein Film, der in die Tiefe geht und berührt, gleichzeitig das Wesentliche des Menschseins herausschält: „Manchmal kommt es mir vor, dass die Menschen gar nicht mehr in der Wirklichkeit leben wollen“. Gedreht wurde während des ersten Lockdowns der Covid-19 Pandemie in Lech, Zürs und im Kleinwalsertal.
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Von der Machart und von seinen essayistisch-philosophischen Kommentaren erinnert „Das Resort“ an Filme des großartigen Chris Marker, aber auch Assoziation an „The Shining“ von Stanley Kubrik drängen sich auf, gerade die Szenen in der heute nicht mehr existenten Hotel Traube, Riezlern, oder die der einsamen Hütte im Wald. Menschenleer präsentieren sich die Tourismusdestinationen Lech, Zürs. Einsame Liftbügel pendeln an straffen Zugseilen, leere Sessellifte gondeln durch eine unberührte Winterlandschaft. Die Flexenpassstraße schmiegt sich wie ein schlafender Lindwurm an die steilen Abhänge des Ochsenbodenkopfs. Alles ist unwirklich und dennoch real.

Die gescheiterte Hoffnung
Beeindruckend sind auch Kesslers großformatigen Kohlezeichnungen-Serie „Das Eismeer“ (2023), von denen es 15 Stück gibt. Caspar David Friedrichs Gemälde „Das Eismeer“ (1823/24), eine der treffendsten Metaphern endgültigen Scheiterns, stand dafür Pate. Kessler verwendet für seine Eismeer-Serie Klimadaten, füttert damit den Computer und legt uns u.a. dann gezeichnete Ansichten von 1823, 1910 oder 1930, quasi wie im Zeitraffer, vor. „Die gescheiterte Hoffnung“ mutiert von einem tödlichen, schroffen, alles verschlingendem Eisplatten zu einem harmlosen, dahingeschmolzenen Etwas.

Mit Hilfe von C.S. Zerefos, Professor für Atmosphärenphysik, der in über 800 Gemälden in dem Zeitraum von 1500 bis 1900 den Rot-Grün Grad von Aerosolpartikeln (Rot bedeutet viel Feinstaub) untersuchte, entstanden Kesslers „Himmel/Horizont/Streifenbilder“, für die Werke von William Turner und C. D. Friedrich ebenfalls Pate gestanden sind. Dafür verwendet er Acrylfarben und Airbrush. Diese Arbeiten scheinen durch ihre fließende Farbverläufe seltsam entrückt, nahezu ätherisch zu sein – „ferne Gärten“ von seltener Farbharmonie.
Thomas Schiretz
Mathias Kessler
Bildraum Bodensee
Staging Nature (Die Inszenierung der Natur)
Dauer der Ausstellung bis 13. April
Künstlerführung: Freitag, 15. März, 16 Uhr
Finissage: Samstag, 13. April, 11 Uhr Brunch, 12 Uhr Artist Talk