Beharrlich auf Mozarts Spuren

Kultur / 12.03.2024 • 12:11 Uhr
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Am 16. März wird Kreuels zusammen mit Guntram Simma und seinem Collegium Instrumentale das Werk uraufführen. fritz jurmann

Hans-Udo Kreuels (76), Musikwissenschaftler, Pianist und Komponist, weckt Interesse am „Londoner Skizzenbuch“ des achtjährigen Mozart.

FELDKIRCH/PASSAU Über Jahrzehnte galt Hans-Udo Kreuels als prägende Figur im Vorarlberger Musikleben. Als Dozent für Klavier und Liedbegleitung wirkte der aus Kevelaer/D gebürtige Musiker ab 1980 am Vorarlberger Landeskonservatorium, entwickelte als Pianist im Land eine vielfältige solistische und kammermusikalische Konzerttätigkeit und war darüber hinaus in über 90 Werken mit Schwerpunkt Lied und Kammermusik auch kompositorisch erfolgreich. Eine besondere Stellung nahm und nimmt fast lebenslang bei ihm das wenig bekannte „Londoner Skizzenbuch“ des achtjährigen Wolfgang Amadeus Mozart ein, dessen 40 teils unvollendete Miniaturen Hans-Udo Kreuels bereits für NAXOS am Klavier auf CD eingespielt und zum Inhalt einer Dokumentation mit Analysen und Kommentaren gemacht hat. Nach seiner Übersiedlung nach Passau begann er, eine Auswahl dieser Stücke zu orchestrieren und damit neues Interesse für diese Sammlung zu wecken. Das Ergebnis wird am 16. März in der Stella Privathochschule Feldkirch von Kreuels gemeinsam mit Guntram Simma und dessen Collegium Instrumentale zur Uraufführung gebracht.

Hans-Udo Kreuels
Der Musikwissenschaftler, Pianist und Komponist Hans-Udo Kreuels. silvia thurner


Das „Londoner Skizzenbuch“ entstand 1764 auf einer Reise Mozarts mit seiner Familie in der britischen Hauptstadt. Und die Musikwelt rätselt bis heute über die Reife, die das achtjährige Kind damals bereits in diesen einfachen Entwürfen erkennen lässt. Wie erklären Sie sich das?
KREUELS Es wird immer wieder von Musikwissenschaftlern behauptet, es handle sich lediglich um vom Kind aufgegriffene und memorierte „Versatzstücke“. Ich habe unmissverständliche Mozarts„Idiome“ ausmachen können und wehre mich nach wie vor gegen Vorbehalte und Despektierlichkeit gegenüber dem kindlichen Genie. In der Neuen Mozartausgabe steht, „dass das Skizzenbuch auch einiges Misslungene beinhalten würde“. Das ist falsch, es beinhaltet nicht Misslungenes, sondern Unfertiges!

Trotzdem umgibt diese Sammlung so etwas wie ein Geheimnis. Halten Sie es für möglich, dass diese Stücke in Wirklichkeit von Vater Leopold stammen, der sie seinem Sohn unterschoben hat, um dessen frühen Ruhm zu untermauern?
KREUELS Absolut nicht. Es ist wissenschaftlich (mittels Laser-Technik) erhärtet, dass außer der Titelei auf dem Frontdeckel keine Eintragung des Vaters oder anderer Personen im Skizzenbuch vorhanden ist. Und der Vater hat ja bewusst dieses Büchlein Wolfgang zur Selbstfindung anvertraut. Es gibt auch einige Beispiele, in denen sich Wolfgang von väterlichen Vorgaben bewusst abstößt.

In Ihren Werkanalysen ergreifen Sie vehement Partei für den Achtjährigen, stellen sich auch gegen die Beschreibungen im Köchelverzeichnis und werten diese Ihrer Meinung nach bislang verkannten kleinen Stücke auf. Warum stellen Sie damit einen Teil der Mozart-Rezeption auf den Kopf?
KREUELS Weil es keine Mozart-Rezeption des Skizzenbuches gibt! Der Wert der zur Hälfte unfertigen Stücke wird ja bis heute zu Unrecht abgewertet. Es gibt nur wenige bedeutende Künstler, die den frappierenden Wertmaßstab der Stücke öffentlich benennen, z. B. András Schiff.

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Haben Sie versucht, in Ihrer Instrumentation für das 40-köpfige Collegium Instrumentale dem Stil des frühen Mozart möglichst nahezukommen?
KREUELS Ja schon, aber das ist ein großes Abenteuer, weil der achtjährige Mozart durchaus nicht auf seine später entwickelte Stilistik festlegbar ist, z. B. seine Sonata g-Moll, Kv15p. So etwas hätte er später nicht geschrieben, und der Vater wird sich bei der Durchschau immens gesorgt haben. Mozart hat in seinen ersten vier Sinfonien auch keine Trompeten und Pauken verwendet. Im Skizzenbuch aber scheint deren Verwendung klar durch.


FRITZ JURMANN

Mozarts „Londoner Skizzenbuch“

16. März, 19.30 Uhr, Feldkirch, Festsaal der Stella: Mozarts „Londoner Skizzenbuch“ (Österreichische Erstaufführung), Konzertrondo D-Dur (Hans-Udo Kreuels, Klavier und Moderation, Collegium Instrumentale, Dirigent Guntram Simma)
www.collegium-instrumentale.at