Keine Angst vor Zwölftönern

Kultur / 24.03.2024 • 14:30 Uhr
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Totale Orchester mit dem italienischen Dirigenten Francesco di Mauro. ju

Beim Arpeggione-Saisonstart konnte vor allem Pianist di Cristofano mit Chopin überzeugen.

von Fritz Jurmann

Hohenems Als alteingesessener Besucher der Arpeggione-Konzerte hat man in über 30 Jahren bereits eine bunte Vielfalt an Stilrichtungen erlebt, von Barock bis Romantik, von Klassik bis zur Moderne. Musik eines Zwölftöners war bis jetzt nicht dabei. “Gottseidank” – werden jene Besucher sagen, die solches fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Umso größer zunächst der Schreck, dass Gründer und Kurator Irakli Gogibedaschwili am Samstag, genau zur Eröffnung der neuen Saison im voll gebuchten Rittersaal des Palastes, ein Werk von Anton Webern an den Beginn des Programms gesetzt hat. Er galt als einer der radikalsten Verfechter der sogenannten zweiten Wiener Schule. Seine Musik in der NS-Zeit wird als „entartet“ gewertet.

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Das Orchester mit dem italienischen Dirigenten. ju

Doch Harfenistin Ulrike Neubacher beruhigt in ihrer lockeren Programmeinführung, die immer mehr Interesse findet. Der „Langsame Satz“ für Streichorchester von Webern stammt von 1905 und damit aus einer Epoche, in der er sich noch der Spätromantik des frühen 20. Jahrhunderts zugehörig fühlte, in einer zwar tonalen Sprache, aber doch mit einigen geschärften Stellen. Und genau die sind es, die zu Stolpersteinen für das Orchester werden, weil sie durch Intonationstrübungen vor allem in den hohen Streichern zu unschönen Dissonanzen ausarten. Mitverantwortlich dafür ist der erstmals hier waltende elegante Dirigent Francesco di Mauro, Chef des Sizilianischen Symphonieorchesters, der bei den Musikern offenbar zu wenig auf Sauberkeit gearbeitet hat und zu viel durchgehen ließ. Auch die Balance innerhalb der Streicher mit zu dominanten Basslinien klingt unausgewogen und recht beliebig, der Applaus matt.

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Solist Antonio di Cristofano am Flügel. ju

Nach diesem holprigen Auftakt kann es eigentlich nur besser werden, und das ist in überzeugender Manier auch der Fall. Vor allem verstärkt sich der Klangkörper nun für Chopins zweites Klavierkonzert f-Moll zum Symphonieorchester, welches das beengte Podium samt Flügel bis auf den letzten Platz füllt. Der italienische Pianist Antonio di Cristofano, der mit seinem Mozart vor zwei Jahren hier in bester Erinnerung blieb, ist auch diesmal ein Meister seines Faches. Er weiß genau, dass es bei Chopin nicht unbedingt auf die Entfaltung höchster Virtuosität ankommt, obwohl er diese imponierend draufhat, sondern mehr auf Farbreichtum und Gefühlswelten vor allem im zweiten Satz Larghetto. Mit seinen sehnsüchtig verliebten Trillern, perlenden Läufe und kleinen Seufzermotiven geht dieser Teil dem Publikum unmittelbar zu Herzen. Hier fühlt sich nun auch Dirigent di Mauro wohl und in seinem Element, führt die aufmerksam mitatmenden Musiker gekonnt und kultiviert durch Chopins parfümierte Klangwelt. Fast Hand in Hand mit dem Pianisten gelingt auf diese Weise auch ein kompaktes, bestechendes Finale, dessen Drive folkloristisch von einer polnischen Mazurka bestimmt ist. Die begeisterten Zuhörer erhalten eine verträumte Elegie von Rachmaninoff als Zugabe.

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Antonio di Cristofano bekam großen Applaus. ju

Dem Motto „Frühlingsduft“ entsprechend bildet Robert Schumanns populäre erste „Frühlingssymphonie“ den Schlusspunkt. Ein höchst anspruchsvolles Werk deutscher Romantik wieder für die große Orchesterbesetzung, was man der Aufführung in kleinen Unebenheiten und im oft zu vordergründigen Bläsersatz mit exzellenten Hörnern anmerkt. Auch auf ein schönes Piano wartet man vergebens. Im Gesamten gesehen aber ist dieses halbstündige Werk doch ein Wurf im besten klassischen Sinne, bei dem man gespannt mitfiebert – gefühlsbetont im Innenleben, temperamentvoll aufjauchzend in den mitreißenden Ecksätzen.