Herausragendes „Paulus-Oratorium“

Kultur / 07.04.2024 • 13:06 Uhr
mathis.studio
Das Abokonzert 5 des SOV war ein Hochgenuss erster Güte. mathis studio

Das SOV begeisterte in Zusammenarbeit mit der Wiener Singakademie.

feldkirch Wenn auch die Uraufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys „Paulus-Oratorium“ an einem Pfingstsonntag im Jahr 1836 (damals fiel der Pfingstsonntag auf den 22. Mai) in Düsseldorf stattfand, so erklang das Werk dieses Jahr am 6. April im Monforthaus in Feldkirch. Mit an Bord war einer der renommiertesten und stimmgewaltigsten Chöre Österreichs, die fast 90-köpfige Wiener Singakademie, sowie die Solisten Vera-Lotte Boecker (Sopran), Patricia Nolz (Alt), Benjamin Bruns (Tenor) und Florian Boesch (Bass). Sehr sympathisch, weil unaufdringlich, aber ungemein fordernd und bestimmt wurde das Ganze vom Dirigenten Heinz Ferlesch geleitet, der nicht nur künstlerischer Leiter der Wiener Singakademie und des Chores Ad Libitum sowie des Originalklangorchesters Barucco ist.

SOV: Heinz Ferlesch
Unaufdringlich, aber fordernd und bestimmt leitete Dirigent Heinz Ferlesch das Ensemble. nini tschavoll

Das „Paulus-Oratorium“, das den Weg vom Saulus zum Paulus schildert (zeitweilig stand Paulus in der Rangliste der einflussreichsten Personen der Geschichte noch vor Jesus), besticht vor allem durch seine moderne Instrumentierung (im Vergleich zu Werken wie Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“ oder Georg Friedrich Händels Oratorium „Messias“), lyrische Chöre, gesangliche Melodik und romantisches Sentiment – vor allem ist Mendelssohn Bartholdys „Paulus“ von einer himmlischen Heiterkeit in D-Dur getragen, obwohl Mendelssohn auf den Schultern des unübertroffenen Doppelgestirns Händel und Bach steht und sich selbst einen Text „in der Art der Bachschen Passion“ wünschte. Wenn Bach in der “Matthäus-Passion” menschliches Leid vertont, wenn da geweint, geschlagen, gefoltert, gebettelt, gegeißelt, verraten und ein Unschuldiger am Kreuz gemartert wird, wenn Bach drei Stunden lang menschliches Leid in Töne fasst, so setzt Mendelssohn auf “edlen Gesang …”. diese Vermählung des Wortes mit dem Ton, diese Anmut, die über das Ganze wie hingehaucht ist, diese Frische, dieses unauslöschliche Kolorit in der Instrumentation des vollkommen ausgebildeten Stils …“, schrieb kein Geringerer als Robert Schumann 1837 in der Neuen Zeitschrift für Musik.

SOV: Vera-Lotte Boecker
Herausragend die Sopranistin Vera-Lotte Boecker. Monarca Studios

Mehr ist über diese Aufführung nicht zu sagen. Diese emphatische Rezension lässt erahnen, welchen Eindruck Mendelsohns Oratorium auf den damaligen wie auf den heutigen Hörer macht. Man muss Mendelssohns „Paulus-Oratorium“ aus seiner religiösen Haltung heraus erklären. Mendelssohn glaubt nicht an einen zürnenden, strafenden Gott, nicht an Bachs oder Händels Höllenfurcht, nicht an das ewige Leiden des Menschen, um allein dadurch Gottes Gnade zu erlangen. Nein, der aufgeklärte Mendelssohn glaubt an einen versöhnenden Gott, der mit fast engelsgleicher, ätherischer Stimme spricht, wenn der Chor (Herr) die berühmten Worte singt: “Saul, was verfolgst du mich?”

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Es war ein Hochgenuss erster Güte, das Symphonieorchester Vorarlberg war glänzend disponiert, hervorragend die Bläser und Flötisten, herausragend die Sopranistin Vera-Lotte Boecker, nur einen Hauch dahinter der Bass Florian Boesch und der Tenor Benjamin Bruns, wunderbar im Duett (Barnabas und Paulus), die Altistin hatte leider nur zwei ganz kurze Auftritte, auch die mit Bravour. Höchste Anerkennung gebührt der Wiener Singakademie und ihrem Mastermind Heinz Ferlesch, um es mit Mendelssohns Paulus zu sagen: „Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen“.

Thomas Schiretz