Wiener Klassik – wie frisch poliert

Kultur / 10.04.2024 • 14:21 Uhr
9.4.24 Dornbirn Klassik Camerata Salzburg 4
Die Camerata Salzburg im Kulturhaus, mit dem israelischen Geiger Gregory Ahss als Konzertmeister und Leiter des Ensembles. fritz jurmann

Camerata Salzburg und Julia Hagen am Cello brachten frischen Wind in bekanntes Repertoire.


DORNBIRN Er ist eine Führungspersönlichkeit ersten Ranges, dieser israelische, in Moskau geborene Geiger Gregory Ahss. Anders wäre es gar nicht möglich, dass er in Personalunion als Konzertmeister seine Camerata Salzburg vom ersten Pult aus auch leitet und seit zwölf Jahren unangefochten in einer europäischen Spitzenposition hält. Freilich geht das nicht ohne Zutun jedes Einzelnen des ca. 30-köpfigen Orchesters, von denen jeder seinen Teil der Verantwortung für ein perfekt abschnurrendes Ganzes trägt, in höchster Konzentration und gegenseitiger Abstimmung. Nicht ohne Staunen und Begeisterung erlebte man dieses auch hier hochgeschätzte Ensemble wieder einmal bei Dornbirn Klassik im gut gebuchten Kulturhaus.

9.4.24 Dornbirn Klassik Camerata Salzburg 4
Die Cellistin Julia Hagen, Solistin in Joseph Haydns Cellokonzert Nr. 1 C-Dur mit der Camerata Salzburg. fritz jurmann

Die Camerata hatte trotz ihrer Vielseitigkeit diesmal ein klug ineinander verzahntes Programm aus der ihr in den Genen liegenden Musik der Wiener Klassik mitgebracht, also quasi ihr „täglich Brot“, das das Ensemble aber ordentlich aufmischte und damit aktuell auf Vordermann brachte. Gerade zwei so viel gefragte Konzertsaal-Hits wie Joseph Haydns erst 1961 für den Konzertgebrauch wiederentdecktes Cellokonzert Nr. 1 in C-Dur von 1765 und Schuberts „Fünfte“, die er 1816 hörbar beflügelt von Haydn und Mozart schrieb, erklingen auf diese Weise frisch poliert und wie eben neu komponiert im Geiste der Wiener Klassik, auch wenn Schubert eigentlich bereits der frühen Romantik zuzurechnen ist. Sie sind stilistisch auf Sturm und Drang gebürstet, ohne dass die vielen wunderbar melodischen Teile darunter zu leiden hätten.

9.4.24 Dornbirn Klassik Camerata Salzburg 4
Konzertmeister und musikalischer Leiter Gregory Ahss. fritz jurmann

Nach einer kurzen, ebenfalls wiederentdeckten Symphonie von Haydns Bruder Michael von 1788 als Ouvertüre gibt der dominante Bruder Joseph den Ton an mit einem kompositorischen und interpretatorischen Glanzstück, wie es Haydns C-Dur-Cellokonzert darstellt. Es gehört heute zum Standard jedes Cellisten, der etwas auf sich hält. Dazu zählt auch die junge Julia Hagen, die Tochter von Clemens, dem Cellisten im berühmten Hagen Quartett, durch die Schubertiade bei uns allgegenwärtig. Auf ihrem historischen Ruggiero-Cello von Cremona 1684 entfaltet Julia eine Klangfülle, einen Farbenreichtum, dazu sonore Klanglichkeit und stupende Virtuosität, dass einem fast Hören und Sehen vergeht. Dabei geht sie mit charmanter Mädchenhaftigkeit durchaus selbstbewusst zu Werk, ohne je überheblich zu wirken und schafft so mühelos auch die enormen technischen Anforderungen des Finalsatzes, der wie ein wilder Frühlingssturm durch den Saal braust. Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Lehrer, dem Camerata-Solocellisten Paolo Bonomini, spielt Julia als Zugabe einen Satz aus einer Sonate von Jean-Baptiste Barrière.

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Schuberts „Fünfte“ ist von so mitreißender Lieblichkeit und Lebensfreude durchpulst, dass man sich das Dreiklangsthema des Kopfsatzes in seiner Schlichtheit am liebsten auf der Zunge zergehen lassen würde. Unglaublich, welche Meisterschaft da im liedhaften Melodienerfinden des Andante, in der gekonnten instrumentalen Beherrschung des Finales bei dem 19-jährigen Komponisten bereits durchschimmert. Die Camerata vollzieht an dieser Vorlage ein Exempel für eine unaufgesetzte, unaufgeregte, dafür aber temporeiche, energiegeladen sprühende Schubert-Interpretation, wie man sie sich heute nur wünschen kann. Wieder ist Gregory Ahss der Zentral- und Angelpunkt einer präzisen, in keiner Phase aus dem rhythmischen Puls geratenden Version, die auch das Dornbirner Publikum restlos überzeugt.
FRITZ JURMANN

Dornbirn Klassik

Nächstes Konzert: Kulturhaus: 28. April, 19.30 Uhr Bruckner Orchester Linz, Dirigent Markus Poschner, Chouchane Siranossian, Violine