Was Sie über Charlotte wissen sollten

Concerto Stella Matutina eröffnete Einsichten über eine Muse des 17. Jahrhunderts.
von Fritz Jurmann
Götzis Das Barockorchester Concerto Stella Matutina musizierte beim zweiten Abokonzert am Freitag wie gewohnt im Originalklang, auf alten Instrumenten und jenem Topniveau, das in dieser Reihe in der Kulturbühne AmBach längst zum erwartbaren Standard für mittlerweile 600 Abonnenten geworden ist. Das Motto des Abends, „Sophie Charlottes Musenhof“, stellte diesmal aber auch hohe Anforderungen an das Publikum. Die Zuhörer sollten sich dafür dank ihrer Imaginationskraft um glatte 350 Jahre zurückdenken in jene Zeit um 1700, als Kurfürstin Sophie Charlotte von Hannover mit prominenten Gelehrten und Komponisten jener Zeit Hof hielt, die ihr zum Dank bis heute erhaltene Musik widmeten. Eine Idee, die als musikalisches Fundament einer historischen Entdeckungsreise gut und gerne einen Konzertabend trägt.

Eine wichtige Rolle hat diesmal Cellist Thomas Platzgummer als Moderator, der dem Publikum in einem durchaus spannenden und amüsanten Schnelldurchgang des Lebens und Wirkens der Kurfürstin auf die Sprünge hilft. Die spätere preußische Königin brachte auf ihrem nach neuester französischer Mode erbauten Schlösschen Lietzenburg (heute Charlottenburg) Glanz ins provinzielle Berlin. Sie verbrachte die Hälfte ihrer Zeit mit Lachen und Tanzen, ging ins Bett, wenn ihr Mann aufstand und überließ den unangepassten Sohn Friedrich Wilhelm einfach der Obhut der Hofdamen. Doch ihre „Flucht in die Kunst“, ihr Einfluss als Philosophin, Komponistin und Cembalistin auf die damalige hochbarocke Szene war so prägend, dass ihr Name bis heute immer wieder in Werksammlungen aus jener Zeit auftaucht.

Ein dankbares Feld ist das auch für den Cembalisten Johannes Hämmerle, den Schatzgräber von CSM, der eine Ouvertüre des heute vergessenen Johann Anton Coberg aus diesem Umfeld nach 300 Jahren erstmals wieder spielbar machte. Arcangelo Corelli, der berühmte Vielschreiber, hat eines seiner vielen Violinkonzerte der Kurfürstin gewidmet. Das Werk findet beim langjährigen Konzertmeister von CSM, dem top ausgebildeten Schweizer Geiger David Drabek als künstlerischer Leiter dieses Programms eine feinsinnig durchgeistigte und dabei doch zupackend engagierte Interpretation. In radikal reduzierter Triobesetzung mit dem Continuo von Thomas Platzgummer, Violoncello, und Johannes Hämmerle, Cembalo, ergibt das eine wunderbar intime kammermusikalische Klanginsel. Ergänzt durch die Geigerin Fani Vovoni bleibt auch eine Sinfonia von Giovanni Bononcini in Erinnerung, dessen schreitendes Grave einen entzückt. Neben solch innigen Momenten prunkt Concerto Stella Matutina, diesmal überwiegend weiblich besetzt, in der Vielfalt des Angebotes. Unter anderem auch in höfischer Festlichkeit, in der die elegant und kompakt musizierende Streichergruppe durch zwei beherzte Barocktrompeten (Organisator Bernhard Lampert, Herbert Walser-Breuß), Pauken (Heiko Kleber) und die abwechselnd an Barockoboen sowie flöten agierenden Elisabeth Baumer und Alesia Varapayeva, klanglich aufgewertet wird. Sophie Charlotte ist bereits mit 36 aus diesem Leben geschieden, doch ihr Ruf lebt weiter. Schön, dass sich jemand heute noch so liebevoll um ihr Andenken kümmert.
