Kunstmuseum Liechtenstein zeigt Barry Le Va

Der Erneuerer der Skulptur in der Kunst nach 1960.
Vaduz Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt die erste Retrospektive nach dem Tod von Barry Le Va, dessen multidisziplinäres Werk der Prozesskunst bzw. dem Postminimalismus zugerechnet wird. Wie der Titel „In a State of Flux“ andeutet, erweiterte der amerikanische Künstler den Skulpturenbegriff, indem er die Geschlossenheit der Form aufbrach und das Prinzip der Veränderung und Instabilität in sein Werk integrierte. Die Ausstellung gibt einen Überblick über sein Schaffen von den 1960er Jahren bis zu den jüngsten Werkgruppen und folgt dabei einem roten Faden: dem Verhältnis von Zeichnung und Skulptur. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Frühwerk des Künstlers.

Barry Le Va wurde 1941 in Long Beach, Kalifornien, geboren und studierte zunächst Architektur und Mathematik, bevor er sich der Kunst zuwandte. Seine über 50-jährige umfangreiche Ausstellungskarriere begann nach ersten frühen Ausstellungen 1969 mit einer Einzelausstellung im Walker Art Center in Minneapolis und endet mit einer Langzeitinstallation (2019-2021) im Dia: Beacon, New York, wo er Installationen aus den 1960er Jahren neu inszeniert. Er nahm unter anderem an den documenta-Ausstellungen 5, 6 und 7 teil.

Seine Installationen sind durchdacht und genau geplant, gleichzeitig werden Zufall und Improvisation zu werkbestimmenden Elementen. Er untersucht Handlungen sowie deren Ursache und Wirkung auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen, sei es physisch, mental oder visuell. Für seine raumgreifenden Arbeiten verwendet er häufig Materialien wie Filz, Glas oder Kreide. Dabei dient ihm der Boden zeitlebens als “Untergrund” und Experimentierfeld. Bereits 1966 entstehen in Los Angeles die ersten auf dem Boden verstreuten Distribution Pieces, mit denen er im November 1968 durch eine Titelgeschichte in der Zeitschrift Artforum schlagartig einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird.

Die Zeichnung ist ein wesentlicher Bestandteil von Le Vas Werk. Einerseits sieht er sie als Teil seines Denkprozesses, andererseits versteht er sie als Diagramme, die ähnlich wie Partituren oder Kompositionen funktionieren. In diesem Sinne bereiten sie oft das skulpturale Werk vor, können als Planansichten dienen und lassen gleichzeitig Interpretation und Improvisation vor Ort zu.

Die Beziehung zwischen Kunstwerk und Publikum war für Barry Le Va von Anfang an von großer Bedeutung. Wie Tatorte fordern seine Installationen den Betrachter heraus, nach Hinweisen zu suchen, um die Abfolge der Handlungen, die zu ihnen geführt haben, oder das Konzept, das ihnen zugrunde liegt, zu rekonstruieren. Diese Herangehensweise basiert auf Le Vas Begeisterung für das Genre des Kriminalromans.

Le Vas Werk ist rätselhaft und hochkomplex. Kuratorin Christiane Meyer-Stoll: “Wir präsentieren das Werk des dreimaligen documenta-Teilnehmers Barry Le Va mit vielen Entdeckungen. Zugleich zeigt die Ausstellung erstmals exemplarisch, wie man posthum mit dem Werk eines Künstlers umgehen kann, der den Prozess und eine eigene Form der Improvisation kultiviert hat”.

Gemeinsam mit dem Kunstmuseum St. Gallen und dem Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main verfügt das Kunstmuseum Liechtenstein über frühe Schlüsselwerke von Barry Le Va aus der Sammlung Rolf Ricke. Der deutsche Galerist, der 2024 seinen 90. Geburtstag feiert, gehört zu den Pionieren der Vermittlung zeitgenössischer Kunst aus den USA und stellte den Künstler 1970 erstmals in Europa aus.