Hinter den Kulissen einer Theaterproduktion

Maria Lisa Huber bereitet ihre zweite Inszenierung vor.
Bregenz In den Räumlichkeiten des Benger Parks in Bregenz hat auch das Vorarlberger Landestheater seine Proberäume. In einem von ihnen findet man Schauspielerin Maria Lisa Huber, die nicht nur festes Ensemblemitglied ist, sondern auch Regie führt. Huber hat bereits mit ihrer Inszenierung von “FRIDA – VIVA LA VIDA” brilliert und bereitet momentan das nächste Stück vor.

Die Regisseurin sitzt auf dem Boden, gemeinsam mit Choreografin Silvia Salzmann, die beiden Schauspielerinnen Rebecca Hammermüller und Ann Mayer stehen daneben und hören genau zu.

Sie versuchen, die Bewegungen für eine Szene zu definieren. “Mir ist es wichtig, dass der aktive Austausch miteinander stattfindet. Sei es mit der Silvia, den Schauspielerinnen oder der Bühnenbildnerin Crystin Moritz”, betont Huber. Das Wohlbefinden ihrer Kolleginnen stellt sie an oberste Stelle. “Ich werde niemandem sagen, dass er oder sie das jetzt tun muss, weil ich die Regisseurin bin, wenn sich die Person unwohl fühlt. Ich finde, das merkt man dann einem auf der Bühne an. Es ist viel schöner, wie manche Sachen von allein entspringen.”

Um genau nachvollziehen zu können, wie sich etwas anfühlt oder ob die Szene so machbar ist, wie sie sich das vorstellt, probiert es die Regisseurin selbst aus. So auch während der Probe, als sie in eine Matratze schlüpft, um zu inspizieren, ob es funktionieren würde. “Wir sind gemeinsam auf der Suche und schauen, was sich am besten für die Schauspielerinnen anfühlt und natürlich zum Stück passt.” Denn Maria Lisa Huber bereitet gerade die Inszenierung von “Der Sandmann” vor, geschrieben von E. T. A. Hoffmann. Das Stück ist nicht nur emotional, sondern auch fordernd und setzt sich mit einem bedeutenden Thema auseinander: Trauma. Aus diesem Grund muss sie auf ihre Mitarbeiterinnen ebenfalls achten.

Im Stück wird die Hauptrolle Nathanael vom Sandmann verfolgt – ein Trauma aus seiner Kindheit, die immer wieder neue Gestalten annimmt. Er verbindet Coppelius, den alten Freund seines Vaters, mit dem Sandmann und macht ihn für den Tod seines Vaters verantwortlich. Als er Jahre später den Brillenverkäufer Coppola trifft, triggert dies sein Trauma. Nathanael kann kaum mehr zwischen Fiktion und Realität unterschieden. “Deswegen wollen wir Masken haben für diese beiden Figuren, die man sich anzieht, wenn man zu ihnen wird.”

Dafür sind zwei Kuben aus Spiegeln geplant. “Für mich sind es eben nicht menschliche Figuren, weil es sein kann, dass es eine Einbildung von Nathanael ist. Genauso wie Olympia, in die er sich verleibt. Ob es sie gab oder nicht, möchte ich nicht stark beantworten, ich möchte es frei stehen lassen”, erklärt Huber. Da das Team noch in den Proberäumen ist und erst nächste Woche mit dem Proben auf der Bühne beginnt, besitzen sie bisher nicht die richtigen Requisiten. Die Kuben werden provisorisch aus Papier gemacht. Auch das Bühnenbild ist gerade provisorisch. Ständig hört man jemanden auf der Probe sagen: “Da sind die Ausschnitte in der Wand, die du dir vorstellen musst.”

Viel Bewegung
Das Trauma von Nathanael, der von Rebecca Hammermüller verkörpert wird, wird im ganzen Stück verteilt. “Ich habe viel zu dem Thema recherchiert und auch mit einer Professorin gesprochen. Bei einem Trauma kann man oft nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterschieden. Deswegen die Sprünge.” Diese werden in der Inszenierung mit Sequenzen dargestellt, die choreografisch unterlegt sind, genauso wie mit Audiosegmenten, die vorher eingesprochen wurden. “Das kommt immer wieder im Stück, wenn Momente passieren, die Nathaniel überwältigen und in die Vergangenheit zurücktreiben.”

Während eines schockierenden Erlebnisses geschieht es oft, dass nur der Körper funktionieren kann. Da Huber das Thema komplett aufgreifen wollte, stellen es auch die Schauspielerinnen in den Trauma-Sequenzen dar: Sie zittern. Und das am ganzen Körper. Silvia Salzmann gibt ihnen dafür bei der Probe die Anweisung. “Das Zentrum gibt den Impuls, damit der Kopf mitzieht”, erklärt Salzmann, während sie es wiedergibt.

Ein Hauch Komik
“Was wir gemerkt haben bei den letzten Proben ist, dass das Stück wahnsinnig schwer ist”, sagt die Regisseurin. “Wir wollen sensibel mit dem Thema umgehen, aber auch lustige und schöne Momente einbringen, um nicht nur alles schwer zu machen.” Den Sandmann, der zusätzlich von Choreografin Salzmann gespielt wird, lässt Huber teilweise witzig oder komisch aussehen – mit Krähenfüßen und Armen. “Ich bringe auch die Komik rein, eben dass der Sandmann nicht nur etwas Unheimliches ist, sondern etwas, wo man auch lachen kann und darf”, sagt sie. “Es ist klar, dass dieses Trauma da ist und man immer wieder da hineinfällt, aber wir wollen auch zeigen, dass das Leben nicht nur daraus besteht, sondern auch schöne Momente hat.”

Die Komik hat die Regisseurin auch mit den Kostümen hineingebracht. “Crystin, die Bühnenbildnerin, und ich haben uns vorher angeschaut, was uns ästhetisch anspricht.” Es stehen bereits alle Kostüme, außer einem. Dabei sehen sie etwas formell und witzig aus. “Es ist etwas Fashion-mäßig.” Sie sind ebenfalls alle recycelt aus dem Fundus des Landestheaters. Crystin Moritz hat sie nicht nur gestaltet, sondern jedes einzelne anprobiert, um zu schauen, wie es aussieht, ob es an einer Stelle drückt und man sich im Kostüm gut bewegen kann. Denn die Darstellerinnen werden einigen Tanzeinheiten haben.

Bei ihrer zweiten Inszenierung freut sich die Regisseurin und Schauspielerin über die kreative und künstlerische Freiheit.” Die neuen Stücke sind urheberrechtlich geschützt – man darf also nichts verändern. Bei den älteren wie “Der Sandmann”, ist es anders. Wir können diese Erzählung machen, wie wir wollen: Sprache ändern, Fremdtexte einfügen und sind nicht abhängig davon, dass uns jemand sagt, dass wir es nicht dürfen”. Am 6. Juni wird die Premiere von “Der Sandmann” in der Box des Vorarlberger Landestheaters stattfinden. Am 7. sowie am 28. und 30. Juni wird das Stück nochmals gespielt. Dazwischen hat das Team ein Gastspiel in Zürich.
