Uraufführung mit Igor Levit in Bregenz mit Standing Ovation gefeiert

Bregenz Mit “The People United Will Never Be Defeated!” ist das Festival “Bregenzer Frühling” am Samstagabend exzellent, ergreifend und mit einer politischen Botschaft beendet worden. Der Pianist Igor Levit und der Choreograf Richard Siegal beschlossen auf Initiative der Bregenzer Kulturservice-Leiterin Judith Reichart eine Kooperation und realisierten das Werk von Frederic Rzewski als Tanzproduktion mit Live-Musik, die das Uraufführungspublikum mit Standing Ovation bejubelte.
Nicht nur in der Chronik des seit gut drei Jahrzehnten bestehenden Festivals “Bregenzer Frühling” zählt die jüngste Produktion nun zu den Besonderheiten, die gemeinsame Arbeit des renommierten, aus Russland stammenden deutschen Pianisten Igor Levit und des amerikanischen Choreografen Richard Siegal steht für einen Glücksfall in der Bodenseeregion. Im voll besetzten Festspielhaus erlebte das Publikum das einzigartige Ergebnis einer Begegnung zweier Künstler, die sich bei der Suche nach einem Klavierstück, das auch körperlich erfahrbar gemacht werden kann, für ein Werk mit starker politischer Aussage entschieden haben.
Frederic Rzewski (1938-2021) war ein Freund und Lehrer von Igor Levit. Beim Hauptthema, das Rzewski seinen 36 Variationen zugrunde legte, handelt sich um ein Lied des chilenischen Komponisten Sergio Ortega, mit dem der Protest gegen den Militärputsch von Augusto Pinochet zum Ausdruck gebracht wurde. Die Uraufführung bei den 200-Jahr-Feiern der USA im Jahr 1976 in Washington darf zudem als kritisches Statement von Künstlern gegenüber der Regierung gewertet werden, hatten die USA die Pinochet-Diktatur doch bekanntermaßen unterstützt.
Ein Stück, das Levit, einem Pianisten, der sich in seinen Äußerungen als vehementer Verteidiger einer freien Gesellschaft erweist, nach eigener Aussage “die Welt bedeutet”, einem Choreografen zu überlassen, veranschaulicht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Künstlern, das in der Uraufführung zum Ausdruck kommt.
Dass “The People United Will Never Be Defeated” mit seinen Zitaten (auch ein Lied von Hanns Eisler wird zitiert) nicht rückblickend ist, sondern alle Spielarten gegenwärtigen Musizierens enthält, bleibt angesichts der höchst sensiblen Verzahnung der optischen und akustischen Elemente dieser Produktion erfahrbar. Aufgebaut auf einem klassischen Vokabular und dann jeweils frei weiterformuliert, deutet das Ballet of Difference mit seinen elf Tänzerinnen und Tänzern auf die inhaltlichen Aspekte des Werks, auf ein Kämpfen, auf einen Konflikt, auf das Erkennen von Gemeinsamkeiten. Dem musikalischen Rhythmus und den Glissandi wird tänzerisch entsprochen, sie werden aber auch gebrochen. Eine rasche Geste lässt den Friedensgruß erahnen, folkloristische Elemente sind zart hingetupft. Das Licht von Matthias Singer korrespondiert mit der Polyphonie. Dem Improvisationsangebot des Komponisten begegnet Levit unter anderem mit einem Schrei. Die Solidarität als Motiv im Werk von Rzewski erhält im finalen Bild mit der zu Boden gehenden Tänzerin ein Fragezeichen. Wahrhaftigkeit wird spürbar, kein Pathos. (Von Christa Dietrich/APA)