“Und deshalb muss ich sprechen”

Kultur / 31.05.2024 • 14:55 Uhr
Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung
Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelin las aus ihrem Buch “Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung”. andreas marte

Die Lebenserinnerungen der Zeitzeugin Emmie Arbel.

Hohenems Die mehrfach ausgezeichnete deutsche Comic-Zeichnerin Barbara Yelin las im Jüdischen Museum Hohenems aus ihrer für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 nominierten Graphic Novel „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung“.  Im anschließenden Gespräch mit Frauke Kühn vom Literaturhaus Vorarlberg und Anika Reichwald vom Jüdischen Museum Hohenems berichtete die Autorin und Zeichnerin über den Entstehungsprozess des Buches. Emmie Arbel, 1937 in Den Haag geboren, erinnert sich in verschiedenen Formen: Fotografien, verschwommene innere Bilder, Dunkelheit. 1942 wird sie mit ihren Brüdern, Eltern und Großeltern von den Nazis deportiert. Nur sie und ihre Brüder überleben die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Nach dem Krieg werden die Geschwister von einer Pflegefamilie in den Niederlanden aufgenommen und wandern 1949 nach Israel aus.

Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung
“Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung” erzählt die Lebensgeschichte der Zeitzeugin. andreas marte

Yelin erzählt in „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung“ die Lebensgeschichte der Zeitzeugin. Durch jahrelange intensive Gespräche mit Emmie Arbel hat sie ein komplexes Zusammenspiel von Sprache und Bild geschaffen. Mit über 900 Bildern bringt sie die Nuancen von Erinnerungen zur Geltung und schafft eine respektvolle Annäherung an die erlebten Traumata der Shoah-Überlebenden. Yelin demonstriert eindrucksvoll, wie Graphic Novels durch das Zusammenspiel von Sprache und Bild mehr erzählen können, als Worte allein es vermögen. Ihre Graphic Novel ist nicht nur eindringliche Erinnerungsliteratur, sondern auch eine Reflexion über das Erinnern selbst. „Viele kennen vielleicht ‚Maus‘ von Art Spiegelman, eine der bedeutendsten Graphic Novels überhaupt. Sie erzählt die Überlebensgeschichte von Spiegelmans Vater, der Auschwitz überlebte“, erläuterte Yelin. „‚Maus‘ war ein Pionierwerk, das zeigte, wie vielschichtig Graphic Novels sein können.“

2022 National Book Awards
Art Spiegelman wurde vom National Book Award für sein Lebenswerk geehrt. Evan Agostini/Invision/AP

Bald werden die letzten Zeitzeugen des Holocaust verstorben sein. Wie können wir ihre direkten Geschichten weitererzählen, wenn sie nicht mehr da sind? Graphic Novels sind eine Möglichkeit, diese Erinnerungen lebendig zu halten. Überlebende des Holocaust wurden gefragt, ob sie bereit wären, ihre Geschichten den Zeichnern zu erzählen, damit sie in einer Graphic Novel festgehalten werden konnten.

Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung
Frauke Kühn vom Literaturhaus Vorarlberg und Anika Reichwald vom Jüdischen Museum im Gespräch mit der Autorin. andreas marte

Emmie Arbel, eine Child Survivor, wurde 1937 geboren und war viereinhalb Jahre alt, als sie deportiert wurde. Sie überlebte drei Konzentrationslager und lebt heute in Israel. Seit etwa 20 Jahren besucht sie als Zeitzeugin regelmäßig Gedenkstätten, darunter Ravensbrück, um mit jungen Menschen über ihre Erinnerungen zu sprechen. „Emmies erste Erinnerungen sind eigentlich Bilder, keine Worte“, sagt Yelin. „Was können Zeichnungen erzählen, was Worte nicht können?“

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Yelin betont, dass es wichtig war, Emmies Lebensgeschichte nicht auf die traumatischen Erfahrungen im Holocaust zu reduzieren. „Es ging auch darum, zu zeigen, wie sie ihr weiteres Leben nach diesen Erlebnissen gestaltet hat. Wie ging es weiter? Wie geht es Emmie heute?“ Arbel war eng in den Entstehungsprozess des Buches eingebunden. „Es war wichtig, dass diese Geschichte nicht über sie, sondern mit ihr entsteht“, so Yelin. Dies war ein grundlegender Aspekt des internationalen Projekts.