„100 Portraits der Leute von Lech“

Bildband mit Fotos von Konrad Rufus Müller.
Lech Im Frühjahr 2024 erschien das Buch „100 Portraits der Leute von Lech“, das letzte Werk des international anerkannten Fotografen Konrad Rufus Müller. Dieses Buch vereint die ursprünglichen 40 Porträts, die Müller in den Jahren 1993 und 1994 aufgenommen hatte, mit 60 neuen Bildern, die zwischen 2018 und 2022 entstanden sind. Die begleitenden Texte stammen von Müller selbst, dem Kunsthistoriker Bernd Stiegler sowie Gerold und Katia Schneider.

Konrad Rufus Müller, 1940 in Berlin geboren, wurde vor allem als Porträtfotograf der deutschen Bundeskanzler bekannt. Seine Karriere begann in den 1960er Jahren als Autodidakt, nachdem er zuvor Malerei studiert hatte. Müllers Weg führte ihn schließlich nach Lech, wo er 1993 die Bewohner des Ortes porträtierte. Diese Arbeiten wurden in dem Buch „Die Leute von Lech“ veröffentlicht, das in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Schriftsteller Michael Köhlmeier entstand.

2018 baten Katia und Gerold Schneider den Fotografen Konrad Rufus Müller, die nächste Generation der „Lecher“ zu porträtieren. Müller folgte dieser Bitte bis zu seinem Tod im November 2023. In ihrem Vorwort erklärt das Ehepaar, dass es ihnen mit diesen Fotografien darum gehe, dem Verschwinden entgegenzuwirken. Die Porträtierten entschwinden unweigerlich, nicht nur im physischen Sinne. Mit dem Bewahren dieser Bilder ist eine Erinnerung verbunden, die durch die Fotografien hervorgerufen wird. So wird das Buch zu einem Medium, das in Zukunft als Grundlage für unzählige unterschiedliche Erzählungen dienen kann. Das Ergebnis dieser intensiven Arbeit ist nun in „100 Portraits der Leute von Lech“ zu bewundern, herausgegeben von der allmeinde commongrounds, einer privaten Kulturinitiative, die im Jahr 2000 von Gerold und Katia Schneider gegründet wurde.

Müllers Porträts sind in klassischer Schwarz-Weiß-Technik gehalten und fangen das Wesen der Lecher ein. Diese Fotografien sind mehr als bloße Bilder; sie sind die künstlerische Dokumentation einer Epoche. Sie bewahren die „Form der Zeit“ und bieten ein verdichtetes Bild der Zeit und des Ortes, der Menschen von Lech und ihrer Geschichte. Diese Bilder tragen zur Bewahrung des kollektiven Gedächtnisses bei, indem sie die Erinnerung an die Porträtierten wachhalten.

Die Fotografien zeigen nicht nur die physische Präsenz der Menschen, sondern auch ihre Geschichte, ihre Persönlichkeit und ihre Verbindung zu Lech. Müllers Fähigkeit, die Menschen so zu porträtieren, dass ihr wahres Wesen zum Ausdruck kommt, macht diese Sammlung zu einem einzigartigen Werk der fotografischen Sozialgeschichte.

„100 Portraits der Menschen von Lech“ besticht auch durch seine hochwertige Aufmachung. Das Buch ist auf edlem, hochwertigem Papier gedruckt, das die Schwarz-Weiß-Fotografien in ihrer ganzen Tiefe und Klarheit zur Geltung bringt. Die Gestaltung ist elegant und zeitlos, mit einem sorgfältig durchdachten Layout, das jedem Portrait den ihm gebührenden Platz einräumt. Der feste, ästhetisch ansprechende Einband macht das Buch zu einem echten Kunstwerk, das man gerne in die Hand nimmt und immer wieder anschaut.

In den begleitenden Texten reflektiert Müller selbst über seine Arbeit und seine Beziehung zu den Menschen in Lech. Bernd Stiegler liefert eine kunsttheoretische Analyse, die die Bedeutung der Arbeiten im Kontext der Fotografiegeschichte hervorhebt. Gerold und Katia Schneider geben persönliche Einblicke und erzählen die Geschichte ihrer Großmutter Maria, die bereits in den Originalporträts zu sehen war.

Die Entscheidung, die Porträts im Hotel Almhof auszustellen, unterstreicht die Bedeutung dieser Arbeit für die Gemeinde Lech. Die Bilder sind nicht nur Kunstwerke, sondern auch historische Dokumente, die das soziale Gefüge des Dorfes sichtbar machen.

Wie schon der 2016 bei Hatje Cantz erschienene Band „Raumaneignungen – Lech 2015/16“, eine Auftragsarbeit für den italienischen Fotografen Walter Niedermayr, verdeutlicht auch dieser Band das kulturelle Anliegen der allmeinde commongrounds. Konrad Rufus Müllers Werk gelingt es, das Bild einer Epoche durch die Porträts ihrer Menschen zu schaffen. Diese Fotografien leisten eine Art fotografische Sozialgeschichte, indem sie eine „Zeitform“ konservieren – ein verdichtetes Bild der Zeit und des Kontextes von Lech, seinen Bewohnern, Gästen und Mitarbeitern.

Sie zeigen die persönliche, soziale und touristische Verbundenheit der Menschen mit dem Ort und seiner Geschichte, ohne auf soziologische oder wissenschaftliche Vorurteile zurückzugreifen.

“Die fotografische Erfassung einer Epoche in ihren Menschen, genauer zweier Generationen der ‚Leute von Lech‘, die dieses Dorf in ganz unterschiedlicher Form prägten und prägen, sahen wir als eine der vielen möglichen Ausformulierungen der Idee der allmeinde, unsere spezifische Form des Gemeinwesens verstehen und befruchten zu wollen. Idee, Erwerb und Zugänglichkeit dieser Werkgruppe stehen daher in engem Zusammenhang mit ihr“, fasst es Herausgeber Gerold Schneider in seinem Vorwort zusammen. Einen Eindruck vom Buch kann man sich auf der Homepage der allmeinde commongrounds verschaffen.