An einem seidenen Faden

Kultur / 14.06.2024 • 14:31 Uhr
Eva Seiler
Eva Seilers “Chemical Beings” im Kunstraum Remise Bludenz. thomas schiretz

Eva Seiler präsentiert im Kunstraum Remise/Bludenz ihre neuesten Objekte.

Bludenz Die Seidenraupe ist schon ein wundersames Tier. Das wussten bereits die Chinesen vor gut 5000 Jahren, denn solange gibt es schon die Seidenraupenzucht und nach wie vor ist China der weltgrößte Produzent von Rohseide. Eva Seiler, geboren 1979 in München, lehrt an der Universität für Angewandte Kunst in Wien in der Abteilung Skulptur und Raum. Sie studierte an der der Akademie der Bildenden Künste in Wien und an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen und erhielt 2022 das Staatsstipendium des Bundes für Bildende Kunst.

Eva Seiler
Die Kuratorin Luka Jana Berchtold gemeinsam mit der Künstlerin Eva Seiler. thomas schiretz

Mit ihrer Kunst betreibt Eva Seiler auch eine Art „Feldforschung“ (Foucault, Ginzburg, Le Roy Ladurie, in der Kunst David Byrd), sie interessiert sich für die Kultur des Beobachtens nicht nur von Insekten (Besuch der Ausstellung „Mushi Lovers in Japan – Insekten und andere Kreaturen im Suntory Museum of Art, Tokyo), oder Hochlandrinder (KiöR Steiermark, 2022), sie setzt sich verstärkt auch mit den Praktiken, Architekturen und Werkzeugen auseinander, die das Leben von Tieren und Menschen prägen.

ABD0005_20190603 – HALLE (SAALE) – DEUTSCHLAND: 16.05.2019, Sachsen-Anhalt, Halle (Saale): Eine Seidenraupe sitzt auf einem Blatt eines Maulbeerbaumes im Schulgarten der Franckeschen Stiftungen. Nach mehr als 210 Jahren ist der Exot wieder zurŸck im Šltesten Schulgarten Deutschlands. Einst wurden hier Seidenraupen gezŸchtet. (zu dpa “Seidenraupe kehrt in Šltesten Schulgarten Deutschlands zurŸck”) Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ […]
Eine Seidenraupe sitzt auf einem Blatt eines Maulbeerbaumes.Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Ihre Arbeiten sind hybride Gebilde, dafür verwendet sie sowohl organische Materialien als auch industriell hergestellte Stoffe so z. B. Stahlgitter, Stroh, Moosgummi, Titan Mesh, Papier, Strukturgel, Schellack, Styropor, Kunstpelz usf. Ihre Objekte changieren zwischen Populärkunst und hochkomplexen, ästhetisch unglaublich anspruchsvollen Plastiken, ihre künstlerische Handschrift ist genuin, ihre Artefakte bringt sie in originäre Konstellationen. Über dem Eingang in den Ausstellungsraum sind zwei überdimensionale Fühler eines männlichen Seidenspinners („Attractant Transmitter“, 2024) angebracht und mit einem Pheromon versetzt. Seidenspinner kommunizieren über Pheromone (Sexualduftstoffe), und wer einen ausgeprägten Geruchsinn hat, kann diesen Duft, der leicht süßlich und blumig riecht, auch wahrnehmen.

Eva Seiler
“Der dritte Schlaf”, 2024, 100 x 150 cm, Stahlgitter, Stroh, Moosgummi, Titan Mesh. thomas schiretz

Auf der gegenüberliegenden Wand „entspinnt“ sich das Objekt mit dem Titel „Spinners Routine“ (2024), ein Artefakt von riesigen Dimensionen von sieben auf drei Metern. Eine Art Antriebsband, allerdings aus gelochten Papierbahnen, das über acht Wellen läuft und deren Löcher teils mit Strukturgel ausgefüllt sind. „Der dritte Schlaf“ (2024), ein von Hand geflochtener Strohkranz wie er uns vom Brauchtum her geläufig ist (ein Strohkranz symbolisierte den Verlust der Jungfräulichkeit und später der Ehre, steht aber auch für die Fruchtbarkeit des Bodens, der Ernte etc.), versetzt mit Titan Mesh.

Eva Seiler
“Pale Golden Rear”, 2024, Styropor, Folie, Kunstpelz, Klebeband, Blech, Maulbeerblätter, 30 cm. thomas schiretz

Zu sehen ist auch das überdimensionale Hinterteil einer Seidenspinnerin, die ihre Eier auf einem Maulbeerblatt ablegt. Alle Objekte wurden speziell für den Kunstraum Remise angefertigt.

Thomas Schiretz

Eva Seiler Chemical Beings

Kunstraum Remise Bludenz
bis 28.7.2024
www.allerart-bludenz.at