Unsichtbare Wand und fliegender Teppich

Kultur / 17.06.2024 • 14:25 Uhr
Kammerkonzert Mandelring Quartett, Konstantin Krimmel
Der gefeierte Lied- und Opernstar Konstantin Krimmel stellte einmal mehr seine Klasse unter Beweis. schubertiade

Zwei kontrastierende Konzerte am ersten Schubertiade-Wochenende in Schwarzenberg.



Schwarzenberg Düster wie das Wetter war das Programm des Eröffnungskonzertes am vergangenen Samstag: Schuberts frühes Streichquartett, D 112, mischt eigenwillige Rhythmik und Harmonik mit lyrischen Tönen. Enttäuschend die Interpretation durch das Mandelring-Quartett: Die Musik erklang wie hinter einer unsichtbaren Wand, der letzte Satz fast wie eine Etude für schnelle, kurze Bogenstriche.

Said, Meyer, Martineau
Die ägyptischen Sopranistin Fatma Said, Sabine Meyer an der Klarinette und Malcolm Martineau am Flügel. schubertiade

Ein interessantes Hörerlebnis versprach der zweite Programmpunkt: Der kürzlich verstorbene Aribert Reimann hat sieben Lieder von Franz Liszt zu einem Zyklus zusammengestellt und den Klavierpart auf Streichquartett übertragen. Konstantin Krimmel, der gefeierte junge Liedsänger und Opernstar, bewies einmal mehr seine Klasse: mit kleinen Schluchzern bei „Mir ist die Welt so freudenleer“, dramatisch in „Ach, wie ist das Leben doch so schwer“, fast opernhaft und pathetisch in Heines „Vergiftet sind meine Lieder“, abgeklärt im abschließenden „Des Tages laute Stimmen schweigen“ verband er interpretatorische Tiefe mit differenzierter Gestaltung. Dennoch wirkte der Zyklus durch die harmonisch interessante, aber etwas zerrissene Streicherbegleitung eher spröde.

Kammerkonzert Mandelring Quartett, Konstantin Krimmel

Zum Höhepunkt wurden Mahlers Fünf Lieder für Bariton und Streichquartett, bearbeitet von Stefan Heucke. Es sind dies vier der fünf Rückertlieder, dazu „Der Tambourg’sell“ aus „Des Knaben Wunderhorn“. Hier gestaltete das Quartett die Begleitung lebendig und plastisch, besonders schön das Bratschensolo im „Tambourg’sell“. Großartig wieder Krimmels Interpretation, von fahl bis grell in allen Farben und menschlich erschütternd. Das abschließende „Quartetto serioso“ von Beethoven mit seinen schroffen Wechseln gelang wie aus einem Guss.

Said, Meyer, Martineau
Fatma Said interpretierte die Vertonungen gleichermaßen intensiv und höchst differenziert. schubertiade

Eine einzige Ohren- und Augenweide war das Sonntagsnachmittagskonzert mit der jungen ägyptischen Sopranistin Fatma Said, Sabine Meyer an der Klarinette und Malcolm Martineau am Flügel. Einleitend wurden zwei Schumann-Lieder mit Vertonungen desselben Textes durch die heute vergessenen Komponisten Franz Lachner und Friedrich Wilhelm von Kücken kombiniert, die jeweils eine konzertierende Klarinette einsetzten.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Das führte zu erhellenden Aha-Erlebnissen: So vertont Lachner „Seit ich ihn gesehen“ schwungvoll und freudig, nur im Mittelteil ruhiger, während Schumanns bekannte Vertonung die Liebende verinnerlicht und fast verstört wirken lässt. Fatma Said interpretierte die bekannten wie die unbekannten Vertonungen gleichermaßen intensiv und gestaltete mit ihrem schlanken, zurückhaltend eingesetzten Sopran höchst differenziert, Sabine Meyer brillierte im virtuosen Klarinettenpart, Martineau begleitete souverän, mit lebhaften Akzenten und freundlich-amüsierter Mimik. Im Andante aus Mendelssohns Klarinettensonate in Es-Dur kamen die gesanglichen Qualitäten der Klarinette zum Einsatz, die Melodie erinnerte an die englische Volksweise „Greensleeves“.

Kammerkonzert Mandelring Quartett, Konstantin Krimmel
Konstantin Krimmel verband interpretatorische Tiefe mit differenzierter Gestaltung. schubertiade

Auch in Louis Spohrs Vier Liedern für Sopran, Klarinette und Klavier zeigte sich, dass Dreiecksbeziehungen jedenfalls in der Musik sehr reizvoll sein können. In „Zwiegesang“ imitierte die Klarinette mit lautmalerischen Trillern das Vöglein in den Fliederzweigen, in „Sehnsucht“ umspielte sie die Singstimme mit Läufen. Man fühlte sich wie auf einem fliegenden Teppich, der durch verschiedene Seelenlandschaften fliegt. Was an Fatma Said besonders bezaubert: Sie erzählt eine Geschichte, die die ihre ist und erzeugt so intensive Aufmerksamkeit. Einzig die Textdeutlichkeit war nicht immer gegeben, wenn die Klarinette dabei war. Nach der Pause dann noch einmal zwei Schumann-Lieder und als willkommene Abwechslung neben all dem Seufzen und Bangen zwei Mozart-Vertonungen. Der absolute Höhepunkt wurde dann Schuberts „Der Hirt auf dem Felsen“. Phänomenal, wie sich Said in ihrer Klangfarbe an die Klarinette anpasste, wie sich die Obertöne mischten. Der begeisterte Applaus wurde mit dem „Wiegenlied“ aus den Spohr-Liedern besänftigt.

Ulrike Längle