Urgestein am Kontrabass

Kultur / 27.08.2024 • 15:09 Uhr
R. Capuçon, G. Caussé, C. Hagen, A. Posch, G. Bellom
Auf dem Programm stand Franz Schuberts berühmtes Klavierquintett A-Dur, besser bekannt als das “Forellenquintett”. schubertiade

Nach 42 Schubertiade-Jahren wurde Alois Posch mit seinem letzten „Forellenquintett“ verabschiedet.


SCHWARZENBERG Das Beste kam zum Schluss, dazu völlig unerwartet. Alois Posch, steirisches Urgestein am Kontrabass, wurde mit Erreichen seines Pensionsalters nach kaum begreifbaren 42 Schubertiade-Jahren seit 1982 am Montag mit allen Ehren und Standing Ovations verabschiedet. Der Kontrabass ist in der Kammermusik ja ein eher exotisches Instrument, ausgenommen bei Schuberts „Forellenquintett“, an dem sich die Schubertianer bis heute nicht satthören können und das deshalb auch in kaum einer Saison fehlen darf. In der Besetzung des tiefsten Instruments, urig und unverrückbar, steht fast immer Alois Posch seinen Part, mit einem verschmitzten altersweisen Lächeln.

R. Capuçon, G. Caussé, C. Hagen, A. Posch, G. Bellom
Kontrabassist Alois Posch wurde nach 42 Schubertiade-Jahren mit allen Ehren und Standing Ovations verabschiedet. schubertiade

Auch bei seinem letzten „Forellenquintett“ ist es nicht anders als Dutzende Male zuvor. Der in Wien von 1983 bis 2008 philharmonisch gestählte Urmusikant zupft und streicht sein unhandliches historisches Ungetüm von 1779, dass es eine Freude ist, deutet sogar ein Tänzchen an und treibt mit seinen Basslinien und sogar einem kleinen Solo, das Schubert im ersten Satz wohl wie zufällig für ihn eingefügt haben könnte, seine Kollegen mit kräftigen Akzenten rhythmisch vor sich her. Diese Forelle hat eben Charakter und Konturen! Alois Posch gehört damit zum Gros jener weniger bekannten Musiker, die dem Festival seit langem ein sicheres Fundament geben, ohne wie die Stars stets im Scheinwerferlicht zu stehen. Dazu wäre Posch auch viel zu bescheiden. Aber immerhin bildet er mit vielen anderen den sicheren Unterbau für eine inspirierte, lebendige Kammermusikszene bei der Schubertiade.

R. Capuçon, G. Caussé, C. Hagen, A. Posch, G. Bellom
Dieses Forellenquintett hatte Charakter und Konturen. schubertiade

Dabei geschieht es oft auch ganz bewusst, dass dabei nicht nur jahrelang existente fixe Besetzungen hier auftreten, deren Spielweise und Sound man blind erkennt, sondern so wie diesmal eine Zusammenstellung von Musikern aus verschiedenen Stilbereichen und Richtungen, die das Werk in dieser personellen Zusammensetzung erst hier gemeinsam erarbeiten. Das vertreibt von vornherein jede Art von abgegriffener Routine, lässt Spannung und Konzentration auf ein Höchstmaß anwachsen, gibt der Forelle auch die Würze im Doppelsinn.

R. Capuçon, G. Caussé, C. Hagen, A. Posch, G. Bellom
Als erstes Stück erklang das Klavierquartett von Richard Strauss, Op. 18 von 1885. schubertiade

In diesem Fall sind bei den Musikern die Herkunftsländer Frankreich und Österreich friedlich vereint, mit dem Stargeiger Renaud Capuçon, seinem Viola-Partner Gérard Caussé und dem Nesthäkchen des Ensembles, dem gerade 32-jährigen, aus Besançon stammenden Pianisten Guillaume Bellom, der erst im Vorjahr hier debütierte. Unglaublich, mit welch brillanter Leichtigkeit er allein die kapriziösen Eskapaden im Variationensatz meistert. Sonore Melodienfülle am Cello verströmt Clemens Hagen vom gleichnamigen Quartett, der kurzfristig, wie ein guter alter Bekannter, für seine erkrankte Tochter Julia eingesprungen ist. Trotzdem wird mit einer Spontaneität musiziert, als gäbe es kein Morgen.

R. Capuçon, G. Caussé, C. Hagen, A. Posch, G. Bellom
Großer Schlussapplaus für diese reiche Fülle an Farben und Ausdrucksformen. schubertiade

Nicht anders, nur reduziert auf ein Klavierquartett, überzeugt am Beginn ein Jugendwerk von Richard Strauss. Es ist sein Op. 18 von 1885, das einerseits noch beim verehrten Johannes Brahms andockt, aber doch schon sehr persönliche Züge des künftigen Meisters der Oper und der Sinfonischen Dichtung erkennen lässt. Da entwickelt sich von Beginn an ein Sog, der einen mitträgt hinein in diese reiche Fülle an Farben und Ausdrucksformen, die sich wild aufbäumen oder im Gleichklang des Unisono der Streicher besondere Effekte entwickeln. Wie die Stimmen im Andante dann sanglich zu einer innigen Verbindung verschmelzen und am Ende verlöschen, das ist die ganz große Kunst der Kammermusik.


FRITZ JURMANN
Im Radio: 8. Oktober, 19.30 Uhr, Ö1