Michael Köhlmeier: „Spiel ich, bin ich Musiker!“

Kultur / 03.10.2024 • 14:34 Uhr
Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier: “Bob Dylan brachte Lyrik zu einem Millionenpublikum”. Peter Andreas Hassiepen

Der Vorarlberger Schriftsteller im Interview über sein neues Buch “Die Gitarre”.

Hohenems Michael Köhlmeier greift täglich mit Leidenschaft zur Gitarre. So ganz nebenbei sammelt er sie auch. In einigen Tagen erscheint sein Buch „Die Gitarre“. Es regt zum Spielen an und zum Üben.

Die Gitarre
“Die Gitarre” ist das neueste Buch von Michael Köhlmeier. residenz verlag

Warum machten die Beatles die Gitarre für Sie interessant?

Ich war im Heim, und als die Beatles Mitte der Sechzigerjahre aufkamen, wurde Gitarre spielen verboten. Die Musik hat alle erschüttert. In einem schlechten Sinn die Heimleitung, aber natürlich die meisten jungen Menschen in einem guten Sinn.

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Mit den Stones kam (spielerisch) eine gewisse Erleichterung, oder?


Die Musik der Beatles war kompliziert, ungewöhnliche Akkorde, ungewöhnliche Singstimmen. Reinhold und ich kannten eigentlich nur Dur und Moll, keine Sechsakkorde, keine verminderten Akkorde und so weiter. Die Rolling Stones beschränkten sich in den meisten Songs auf die drei Akkorde des Blues.

Wie wichtig war für Sie das Spielen mit der Gitarre zurückgezogen am Dachboden oder im Garten?

Es war der Eintritt in die Welt der Kunst. Ich konnte mich selbst vergessen. Ich habe gelernt, dass Üben etwas Schönes sein kann. Wer Musik machen will, muss sich aufs Üben einstellen. Zu üben kann glücklich machen.

Bob Dylan war die Erlösung. Endlich, Lyrik mit Musik. Dylan war für viele überhaupt ein Wendepunkt in der Popmusik, oder?

Ja, Poesie und Musik. Meine Eltern förderten den Gedanken, dass ich Schriftsteller werden könnte. Meine Mutter liebte die Lyrik von Rilke. Bob Dylan brachte Lyrik zu einem Millionenpublikum.

Sie sind ein Kind des Chicago Blues, sage ich einmal. Wie wichtig ist der Blues für Sie heute noch?

Nicht nur der Chicago Blues, auch der Blues aus dem Süden der USA – Mississippi John Hurt, Robert Johnson, Sun House, Bukka White. Der Blues aus dem Norden, der elektrische Blues, der eigentlich keine Melodie hat, sondern aus Rezitativen besteht, der aggressiv ist, fordernd, nicht religiös konnotiert, der hat mein jugendliches Herz glücklich gemacht – John Lee Hooker, Muddy Waters, Lightnin’ Hopkins. Diese Musik macht mich immer noch glücklich. Allerdings, wenn ich sie zwei Tage lang höre, muss ich eine Pause machen – zehn Tage …

Wann fiel der Groschen, dass Sie in erster Linie Autor werden wollten?

Der ist noch immer nicht gefallen. Wenn ich Musik mache, besonders wenn ich mit einer Band zusammenspiele, dann danke ich dem Himmel dafür, dass ich Musiker bin. Wenn ich male, genauso. Und natürlich beim Schreiben. Aber auch beim Kochen. Das ist in gewisser Weise alles das Gleiche …

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Glauben Sie wirklich, dass es gegen das Sammeln hilfreich ist, sich am Anfang eine teure Gitarre zu kaufen?

Ja.

Manche sammeln Wein, mache Motorräder, manche Gitarren. Das Sammeln scheint dem Menschen gegeben zu sein, oder?

Nicht allen. Es gibt Nomaden und Sesshafte. Die Nomaden haben immer all das Ihre bei sich. Beneidenswert. Die Sesshaften sammeln. Oft unsinniges Zeug, das nur Staub ansetzt.

Woher kommt das schlechte Gewissen, eine teure Gitarre zu kaufen?

Bei einem so mittelmäßigen Gitarristen, wie ich einer bin, ist eine sehr teure Gitarre wahrscheinlich Geldverschwendung.

Im Buch verraten Sie es nicht, wie viele Gitarren Sie haben. Warum eigentlich?

Weil, wenn das Buch schließlich herauskommt, es vielleicht schon mehr sind.

Herr Köhlmeier, vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Martin G. Wanko (MGW)

Michael Köhlmeier: „Die Gitarre“, Residenz Verlag, S 64