Gott zu loben mit Jazz?

Kultur / 14.10.2024 • 14:14 Uhr
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Der Kammerchor Vocale Neuburg unter Oskar Egle nahm für die Jazzmesse mit 40 Sängerinnen und Sängern im Altarraum Aufstellung. fritz jurmann

Kammerchor Vocale Neuburg unter Oskar Egle brachte die Emser Kirche zum Mitswingen.

HOHENEMS Es steht nirgends geschrieben, dass nicht auch ein fetziger Rhythmus und schräge Jazzakkorde als Lob zur Ehre Gottes herhalten können. Der Kammerchor Vocale Neuburg unter seinem Gründer und Leiter Oskar Egle hat das unter Beweis gestellt und am Sonntag den 33. Chor- und Orgeltagen mit einer mitreißenden Jazzmesse den dritten Volltreffer en suite beschert. Da hielt es die Zuhörer in der überfüllten Kirche nur mehr schwer in den Bänken.

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Komponist Martin Völliger erfüllte, trotz Verletzung, am Keyboard seine Aufgabe ohne Probleme. fritz jurmann

Von den Kuratoren des Festivals, Peter Amann und Christoph Wallmann, wurde Vocale Neuburg als einer der führenden Kammerchöre des Landes damit bereits zum dritten Mal eingeladen, und jedes Mal konnte der 1982 gegründete, etwa 40-köpfige Verein nicht nur durch seine Vielseitigkeit, sondern auch speziell durch sein Feeling für das Moderne und den ausgeprägten, geschlossenen Chorklang als Markenzeichen überzeugen. Der deutsch-schweizer Komponist und Musiker Martin Völlinger (46) hat 2012 mit seiner „Latin Jazz Mass“ ein Werk für Chor und Jazzband ersonnen, das diesen Vorgaben im Besonderen entspricht und seinen Siegeszug längst angetreten hat, einmal auch 2013 mit dem Landesjugendchor „Voices“ unter Oskar Egle.

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Das Besondere an diesem Werk ist, wie es Völlinger verstanden hat, ein am Ordinarium der katholischen Messe orientiertes, zwischen Latein und Englisch changierendes einstündiges Werk zu schaffen, das in einer unerschöpflichen Fülle moderner, musicalartiger Melodien und packender, vor allem swingender und lateinamerikanischer Rhythmen Zuhörer von jung bis alt begeistert. Von seiner Anlage, den gekonnten Arrangements und der religiösen Ausrichtung her aber besitzt die Messe hohe künstlerische Qualität und gerät nie in Gefahr, ins Triviale eines bloßen Schlagers abzugleiten. Im Mittelpunkt steht Chorleiter Oskar Egle, der inzwischen all seine anderen Chöre abgegeben hat. Aber bei „Vocale“ ist er auch als „Pensionist“ mit 64 noch der gefeierte Chorguru des Landes, der sich mit der kraftstrotzenden Jugendlichkeit auch seine Begeisterungsfähigkeit bewahrt hat und diese mit unglaublicher Kompetenz und Musikalität stets im rechten Moment einzusetzen weiß. Bei ihm ist das noch immer beinharte und wörtlich schweißtreibende Knochenarbeit ohne Wenn und Aber.

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Larissa Schwärzler überzeugte mit heller, klarer Stimme in den exponierten Solopassagen. fritz jurmann

Der Erfolg gibt ihm recht. Seine Sängergemeinschaft ist mit ihrer langjährigen Erfahrung, aber auch der aktuell lodernden Leidenschaft sichtlich und hörbar bei der Sache. Da entstehen fetzige, packende Chorsätze von enormer Ausdruckskraft, etwa im Gloria, Sanctus oder Finale, dazwischen schimmern lyrische Balladen voller Poesie und Nachdenklichkeit herauf wie das melodiöse „Vater unser“ oder „Peace, I give to you“, bei denen die bekannte Dornbirner Sopranistin Larissa Schwärzler mit dem Glanz ihrer hellen, klaren, gut phrasierenden Jazzstimme voll überzeugt. Für das perfekte rhythmische Grundgerüst sorgt die Creme der heimischen Jazz-Instrumentalisten mit Martin Franz, Alt- und Tenor-Saxophon, Stephan Reinthaler, Bass, und Daniel Schuchter, Schlagzeug, die spontan auch immer wieder ihre Freiheit für brillante Improvisationen nutzen. Und da ist schließlich auch der Komponist Martin Völlinger, der sich nach einem Unfall auf Krücken zu seinem Keyboard schleppt und dort spielt und präludiert, als wäre nichts gewesen. Er erhält von den Standing Ovations am Schluss eine Sonderportion.


FRITZ JURMANN