Die hohe Kunst des A-Cappella-Gesanges

Kultur / 16.12.2024 • 14:55 Uhr
Bregenzer Kammerchor
Der Bregenzer Kammerchor sorgte für berührende Momente. Franz Satler

Hubert Herburger erzählte mit seinem Bregenzer Kammerchor die Weihnachtsgeschichte.

Hörbranz Anschaulicher und berührender, als es am späten Sonntagnachmittag in der Pfarrkirche St. Martin der traditionsreiche Bregenzer Kammerchor mit seinem Gründungsdirigenten Hubert Herburger getan hat, wurde zuletzt im Land die Geschichte von Weihnachten kaum einmal nacherzählt und in einer besonderen Darbietungsform künstlerisch angereichert. Der A-Cappella-Bilderbogen vom Frühbarock bis zur Neuzeit, ganz ohne Süßlichkeiten kompakt in einer guten Stunde zusammengefasst und mit Harfenmusik von Viktor Hartobanu angereichert, verfehlte nicht seine Wirkung auf das zahlreiche Publikum, das die Mitwirkenden mit Standing Ovations verabschiedete.   

Bregenzer Kammerchor
Das Konzert wurde mit Harfenmusik von Viktor Hartobanu angereichert. Franz Satler

Die Fülle und Verschiedenartigkeit der Vokalkompositionen durch vier Jahrhunderte, scheinbar wahllos nebeneinandergestellt, mag den einen oder anderen Besucher zunächst befremdet haben. Sehr rasch wird aber klar, dass das Konzept dieses Konzertprogramms nicht auf stilistische Einheitlichkeit abzielt, sondern auf die wichtigsten Eckpunkte der biblischen Heilsgeschichte als eine Art roter Handlungsfaden. Unter dem Titel „Gaudete – Freuet Euch!“, das die Liturgie für den dritten Adventsonntag vorgibt, reichen diese vom Warten auf die Ankunft des Messias über die Verkündigung an Maria bis zu Jesu Geburt.  

Bregenzer Kammerchor
Hubert Herburger hat sich bei seinem Dirigat wieder geistig und körperlich völlig verausgabt. Franz Satler

Die Anforderungen, die Hubert Herburger mit der Auswahl passender Chorliteratur an seine Sängerinnen und Sänger stellt, sind nicht gering, gelten vor allem der Flexibilität und Leistungsfähigkeit des Chores und sprechen auch für ein tiefes gegenseitiges Vertrauen in diesen langen 38 Jahren zwischen Herburger und den Seinen. Aber auch für ihn selbst, der sich bei seinem Dirigat wieder geistig und körperlich völlig verausgabt – mit Erfolg! Und doch braucht es diesmal auch für die Zuhörer schon eine gewisse Anpassung, bis man sich in die ersten strengen Chorwerke von Zoltán Koldály und Manfred Länger eingehört hat, die spröde klingen, noch an kleinen Unsauberkeiten kranken. Erstmals wirklich auf Betriebstemperatur überzeugen kann der Bregenzer Kammerchor mit „Lang sind die Nächt“ des Volksmusikpapstes Wilhelm Fritz aus dem Kleinwalsertal. Da entfaltet sich der in seiner Schlichtheit und Wärme beeindruckende Chorklang in wunderbarer Homogenität, bleibt in der Folge prägend für die weiteren Darbietungen, auch die Balance innerhalb der Register stimmt bei einem Männeranteil von nur einem Drittel. Begeisterung für das gemeinsame Anliegen ist ebenso allseits spürbar wie Sorgfalt in der Diktion.

Bregenzer Kammerchor
Einen Einblick in typisch britische Weihnachtsklänge des 20. Jahrhunderts geben Werke von Gustav Holst und Benjamin Britten. Franz Satler

Auch der Vokalpolyphonie des Frühbarock zeigt sich die Chorgemeinschaft untadelig gewachsen, zwei Beispiele mit Hans Leo Hasslers „Dixit Maria ad angelum“ und Johann Eccards „Übers Gebirg Maria geht“ legen eindrucksvolles Zeugnis für diese hohe Kunst ab. Nach so viel Schönheit im Chorklang wird das von einem Anonymus stammende „Gaudete“ zum Tag ein mit Percussions (David Nussbaumer und Elias Müller) angereichter Aufwecker mit ordentlich gegen den Strich gebürsteter Rhythmik. Einen Einblick in typisch britische Weihnachtsklänge des 20. Jahrhunderts geben Werke von Gustav Holst und Benjamin Britten. Schließlich wird das alte steirische Volkslied „O Jubel, o Freud“ zur allgemeinen Begeisterung noch in ein modernes Gewand gesteckt. Als geruhsame Inseln des Nachklangs und des Nachsinnens über solch fantasiereiche Vokaleindrücke erweisen sich die Beiträge des aus einer rumänischen Musikerfamilie stammenden Harfenisten Viktor Hartobanu von der Stella. Spezielle Bearbeitungen adventlicher Choralvorspiele Johann Sebastian Bachs und Debussys „Claire de lune“ erhalten auf diesem „himmlischen“ Instrument in der Kirchenakustik den ganz besonderen, kostbaren Glanz alten Goldes. Fritz Jurmann