„Unser Sternenhimmel ist untypisch“: Raoul Schrotts Einblick in fremde Kulturen

Raoul Schrott stellt sein neues Werk im zweiten Teil seiner Buchpräsentation im Theater Kosmos vor.
Bregenz Schon bevor es die Schrift gab, nutzten Menschen die Sternenbilder, um sich Dinge einzuprägen. „Die Bilder zeigen auch, wie eine Gesellschaft funktioniert. Es ist ein wesentlicher Bestandteil von Kulturen, der bisher in dieser Form nicht dokumentiert wurde“, erklärt der Schriftsteller Raoul Schrott im Hinblick auf sein neues Buch “Atlas der Sternenhimmel und Schöpfungsmythen der Menschheit”. Das vier Kilogramm schwere Werk vereint die Sternenhimmel- und Schöpfungsmythen von 17 verschiedenen Kulturen und zeigt eindrucksvoll, wie eng der Himmel mit dem Leben und den Geschichten der Menschen verwoben ist. „Sternenbilder waren in der Steinzeit das Allzweckwerkzeug zum Überleben – Kalender, Navigationshilfe und kultureller Kompass zugleich“, beschreibt Schrott.

Sechs Jahre arbeitete der Autor an dem 1280 Seiten umfassenden Buch. Dabei stellte er fest, dass jede Kultur den Himmel auf ihre eigene Weise interpretiert. „Die Sternenbilder, die wir heute am Himmel kennen, sind ungenau und wirken künstlich. Das liegt daran, dass unser Sternenhimmel aus dritter Hand stammt. Die Griechen konnten mit den mesopotamischen Figuren wenig anfangen. Sie übernahmen die Bilder, gaben ihnen jedoch neue Namen. Später taten dies die Römer, dann die Araber, und schließlich übernahmen wir sie von den Mauren in Spanien. Unser Sternenhimmel ist daher völlig untypisch“, erläutert Schrott.

Er beschreibt die Sternensagen als „Grimms Märchen am Himmel“, die nicht nur von Helden und Göttern erzählen, sondern auch gesellschaftliche Werte und Regeln widerspiegeln. In anderen Kulturen sind die Sternenbilder nicht nur dekorativ, sondern erfüllen wichtige Funktionen. „Spannend ist, dass jede Kultur eigene Regeln dafür hat.“ Mit seinem Buch schlägt Schrott eine Brücke zwischen den Sternenhimmeln vergangener Kulturen und verbindet Astronomie, Mythologie und die Wurzeln menschlicher Gesellschaften. „Sternenbilder sind für mich etwas Beeindruckendes. Sie haben zwei Seiten: die astronomische, die uns ihre Entfernung bewusst macht, und die erzählerische, die von uns Menschen und unserer Geschichte berichtet. Diese Polarität fasziniert mich“, erklärt der Schriftsteller.

Am 22. Jänner findet der zweite Teil der Buchpräsentation im Theater Kosmos statt. Dabei widmet sich Schrott vor allem den Sternenhimmeln der Tuareg. Diese Bevölkerungsgruppe der Sahara orientierte ihr gesellschaftliches Leben an den Sternenbildern. „Die Frauen sind emanzipiert, und das Leben in der Wüste ist von klaren Hierarchien geprägt – all das spiegelt sich in ihren Sternenbildern wider“, so der Autor.
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Neben den Sternenbildern wird Schrott auch ein beeindruckendes Monument präsentieren, das er bei seiner letzten Sahara-Reise gemeinsam mit Archäologen entdeckte: eine 130 Meter große Struktur, die in Verbindung mit den Sternenbildern Rückschlüsse auf das frühere Leben der Menschen zulässt. Begleitet wird die Präsentation von Hubert Dragaschnig, dem künstlerischen Leiter des Theaters Kosmos, der Passagen aus den im Buch enthaltenen Weltschöpfungsmythen vorlesen wird.
