“Lügner haben derzeit die Oberhand”

Interview mit Friedrich Moser über seinen Film “How to build a truth engine”.
Schwarzach Mehr als fünf Jahre lang hat sich der österreichische Dokumentarfilmer Friedrich Moser mit dem weltweit tobenden Informationskrieg beschäftigt. Seine Erkenntnisse hat er in sein neuestes Werk “How to build a truth engine” einfließen lassen, das am kommenden Freitag im Cineplexx Vorarlberg Premiere feiert.
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Herr Moser, waren Sie nach dem Filmdreh deprimiert oder hoffnungsvoll?
Friedrich Moser: Ich habe an dem Film fünfeinhalb Jahre gearbeitet und war von Beginn weg positiv eingestellt – auch wenn es nicht diesen einen “truth engine”, diesen einen “Wahrheitsmotor” geben wird. Die verschiedenen im Film zu sehenden Versuche, die Suche nach der Wahrheit an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen, machen mich schon hoffnungsvoll. Ich beleuchte Journalismus, der stark mit neuen Technologien arbeitet, Softwareentwickler, die daran arbeiten, mit der Fülle an Daten und Informationen zurechtzukommen, und die Forschung am Gehirn, die klärt, warum wir so empfänglich für Fake News, Desinformation und Verschwörungstheorien sind. Wenn Menschen sich bewusst wären, wie verletzlich man diesbezüglich ist, wäre wohl am meisten dazu beigetragen, die Wahrheit wieder besser in Stellung zu bringen.
Wer hat derzeit die Oberhand im Infokrieg?
Moser: Derzeit haben die Lügner bzw. Personen, denen daran gelegen ist, ein gesundes Informationsökosystem zu zerstören, die Oberhand. Das hat man gerade eben bei den Präsidentenwahlen in Rumänien gesehen, wo ein Kandidat aus dem Nichts erschienen und in die Stichwahl gekommen ist. Er wurde durch Telegram-Gruppen und Tiktok-Accounts nach oben gespült. Dasselbe gilt auch für den Infokrieg rund um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und um den Konflikt im Nahen Osten. Man findet sich sehr schnell in Paralleluniversen, die in sich geschlossen Sinn machen, aber mit der Realität nichts zu tun haben. Durch die Verengung des Medienkonsums kann der Verstand sehr einfach gehackt werden.

Ist die Wahl in Rumänien ein Paradebeispiel dafür, dass klassische Medienhäuser einen großen Teil der Bevölkerung gar nicht mehr erreichen, sie ihre “Gatekeeper”-Funktion zusehends verlieren?
Moser: Mehr noch als Rumänien sind die USA das Beispiel dafür, dass die klassischen Medien nicht mehr zum Großteil der Bevölkerung durchdringen. Ein Tweet von Elon Musk erreicht dagegen 200 Millionen Menschen. Der Vorteil der Gatekeeper-Funktion ist, dass man Nachrichten gefiltert bekommt. Der Nachteil ist, dass das Gefilterte manchmal divergierende Meinungen nicht einschließt. Das Aufbrechen der totalen Gatekeeperfunktion durch das Internet ist eine gute Sache. Das Problem ist aber, dass die Regeln des Journalismus nicht auf diese alternative Medienproduktion angewandt werden. Re-checks, Belegbarkeit durch überprüftes Beweismaterial, das Nennen von Quellen: Das alles passiert dort nicht. Soziale Medien müssten genauso behandelt werden wie traditionelle Medien, damit sich das Verhalten dort ändert.
Haben Sie deshalb einen Großteil des Films in den USA gedreht, weil dort der Infokrieg am heftigsten tobt?
Moser: Absolut. Ich glaube, dass wir in Westeuropa noch in einem relativ geschützten Raum sind. In Osteuropa schaut es schon schwieriger aus, wie Rumänien jetzt gezeigt hat, oder auch Ungarn, wo die Medien unter die Kontrolle von Viktor Orban und seiner Oligarchen-Entourage gebracht worden sind. In den USA ist es insofern dramatisch, weil viele lokale Medien zugesperrt haben. Es existieren Nachrichtenwüsten. Finanzierungsmöglichkeiten der Medien fallen zusehends weg. Viele Medien sind auf einen reichen Investor – wie bei der “Washington Post” – oder öffentliches Geld angewiesen. Das ist ein großes Problem. Dass es öffentlich-rechtliche Medien gibt, ist allerdings wichtig. Ich würde das System aber auf Fonds für öffentlich-rechtliche Inhalte erweitern. Für teure Recherche müsste weiteres Geld zur Verfügung gestellt werden, das aber nicht von der Politik vergeben wird, sondern von einem Gremium aus Fachleuten und Personen aus der Gesellschaft nach einem klar definierten Kriterienkatalog.