Ein sprachgewaltiges Kammerspiel über das Unsagbare

Kultur / 07.02.2025 • 16:01 Uhr
ABD0052_20211011 – WIEN – …STERREICH: ++ ARCHIVBILD ++ ZU APA0140 VOM 11.10.2021 – Die šsterreichische Schriftstellerin, Theaterautorin und NobelpreistrŠgerin Elfriede Jelinek, aufgenommen am Donnerstag, 07. Oktober 2004, in Wien. Elfriede Jelinek feiert am 20. Oktober ihren 75. Geburtstag. (ARCHIVBILD VOM 7.4.2004) – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Das Stück der Literaturnobelpreisträgerin setzt sich mit dem Massaker von Rechnitz am 25. März 1945 auseinander. APA/ROLAND SCHLAGER

„Rechnitz (Der Würgeengel)“ von Elfriede Jelinek hat am 15. Februar im Landestheater Premiere.

Bregenz Am 15. Februar feiert Elfriede Jelineks Drama „Rechnitz (Der Würgeengel)“ am Vorarlberger Landestheater Premiere. Eine Matinee zur Produktion findet am Sonntag, den 9. Februar um 11 Uhr im T-Café bei freiem Eintritt statt. Regisseurin Bérénice Hebenstreit inszeniert das sprachlich dichte, verstörende Werk, das eines der abscheulichsten Kriegsverbrechen auf österreichischem Boden thematisiert: das Massaker von Rechnitz in der Nacht auf den 25. März 1945. Die Uraufführung fand am 28. November 2008 an den Münchner Kammerspielen statt.

Photo rehearsal 'Rechnitz' by Elfriede Jelinek
Das Stück wurde im Jahr 2008 an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. EPA/TOBIAS HASE

Während die Front immer näher rückt, gibt die Thyssen-Erbin Gräfin Margit von Batthyány auf ihrem Schloss nahe der österreichisch-ungarischen Grenze ein rauschendes Fest. Die Gäste: hochrangige SS-Offiziere, Gestapo-Chefs und lokale Nazi-Kollaborateure. In dieser Nacht werden etwa 200 jüdische Zwangsarbeiter von betrunkenen Partygästen auf ein nahegelegenes Feld getrieben und erschossen. Der Titel verweist auf Luis Buñuels Film „Der Würgeengel“: Auch hier gibt es einen Raum, aus dem niemand entkommt – sei es der Ort des Verbrechens oder der Diskurs darüber. Die Sprache wird zur Falle: Sie kann das Geschehene nicht fassen, aber sie kann auch nicht schweigen.

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Die 1987 in Wien geborene Bérénice Hebenstreit inszeniert das Stück mit Vivienne Causemann, Rebecca Hammermüller, Nurettin Kalfa, David Kopp und Anna Rot. Ihr besonderes Interesse gilt der Ergänzung des klassischen Kanons durch unbekannte Stimmen sowie der zeitgenössischen österreichischen Literatur. Mit dem Familienstück “Vevi” am Vorarlberger Landestheater brachte sie erstmals die österreichische Autorin Erica Lillegg auf die Bühne.
Im vergangenen Jahr brachte sie das Stück “Stromberger oder Bilder von Allem” am Vorarlberger Landestheater auf die Bühne.

Ein sprachgewaltiges Kammerspiel über das Unsagbare
Die Regisseurin Bérénice Hebenstreit inszeniert das Stück. APA/HERBERT NEUBAUER

Elfriede Jelinek gilt als eine der radikalsten Stimmen in der deutschsprachigen Literatur. 1946 in Mürzzuschlag geboren, entwickelte sie früh ein feines Gespür für Sprache, das sich in ihrem literarischen Werk in einer unverwechselbaren Musikalität und rhythmischen Verdichtung niederschlägt. Ihre Romane, darunter “Die Klavierspielerin” (1983) und “Lust” (1989), setzen sich schonungslos mit patriarchalen Machtstrukturen, Gewalt und gesellschaftlichen Zwängen auseinander. Jelineks Stil zeichnet sich durch eine fragmentarische, assoziative Erzählweise aus, die oft ohne klare Handlung auskommt und stattdessen Sprachströme erzeugt, die sich in eindringlichen Wiederholungen und ironischen Brechungen manifestieren. Diese Experimentierfreude findet sich auch in ihren Theatertexten, die oft als „Sprachflächen“ bezeichnet werden, darunter “Burgtheater” (1985) oder “Das Werk” (2003). 2004 wurde Jelinek mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet – die Autorin selbst scheute das Rampenlicht, ließ sich bei der Preisverleihung vertreten und zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Dennoch bleibt sie eine zentrale Figur der Gegenwartsliteratur, deren Texte nicht nur provozieren, sondern auch neue Perspektiven auf die Verflechtungen von Sprache, Macht und Gesellschaft eröffnen.