Wenn vor dem Anfang der Abschied kommt

Kultur / 21.03.2025 • 14:03 Uhr
VergissMichtNicht - Sternenkinder Fotografie
2024 wurden auf Wunsch von betroffenen Eltern von insgesamt 37 Sternenkindern Erinnerungsaufnahmen angefertigt. MEDIArt | Andreas Uher

Unendlich wichtig: Einfühlsame und liebevolle Erinnerungsfotos von Sternenkindern.

Bregenz Wenn eine Frau ihr Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verliert, spricht man medizinisch von einer Fehl- oder Totgeburt. Als einfühlsamere Bezeichnung hat sich im deutschsprachigen Raum der Begriff „Sternenkinder“ etabliert. Er beschreibt Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben – und steht symbolisch dafür, dass sie zwar nicht auf Erden, aber im Herzen ihrer Familien weiterleben.

vergissmichnicht
Sophia Rüscher-Fussenegger: “Gerade in der ersten Zeit waren die wenigen Bilder, die wir hatten, unendlich wichtig, weil sie halfen, das Unfassbare ein wenig begreifbarer zu machen”. fredrick sams

Besonders schmerzlich ist, dass es lange Zeit kaum Möglichkeiten gab, von einem verstorbenen Kind würdevoll Abschied zu nehmen. Erst allmählich entstehen Angebote, die diesen Raum eröffnen. Eines davon ist die Erinnerungsfotografie. Sie begleitet den Trauerprozess – still, respektvoll und auf Augenhöhe.

VergissMichtNicht - Sternenkinder Fotografie
Die Eltern erhalten die Erinnerungsaufnahmen in einer schönen “Erinnerungsbox” zugesendet. Ursula Waheed-Hutter

In Österreich wurde 2017 ein gesetzlicher Schritt gesetzt: Seither können auch Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm in das Personenstandsregister eingetragen werden. Eltern haben damit die Möglichkeit, ihrem Kind offiziell einen Namen zu geben – und eine Geburtsurkunde. Ein wichtiges Signal – medizinisch und gesellschaftlich. Im Jahr 2020 wandten sich mehrere Vorarlberger Hebammen mit der Bitte um Unterstützung an eine Gruppe professioneller Fotografinnen und Fotografen. Ziel war es, betroffenen Eltern einfühlsame und qualitativ hochwertige Erinnerungsfotos zu ermöglichen. Daraus entstand der Verein „VergissMichNicht – Sternenkinder Fotografie“.

VergissMichNicht - Sternenkinder Fotografie
Andreas Uher ist der Obamm des Vereins “VergissMichNicht – Sternenkinder Fotografie”. fredrick sams

Obmann Andreas Uher: “Seit unserer Vereinsgründung bis heute haben wir Erinnerungsfotos von insgesamt 134 Sternenkindern gemacht. 1.139 Menschen in Vorarlberg sind von diesen Verlusten direkt und indirekt betroffen.” Diese Zahlen zeigen: Das Thema ist kein Randphänomen – es betrifft viele Familien direkt oder im erweiterten Umfeld.

VergissMichNicht - Sternenkinder Fotografie
Prim. Dr. Michael Rohde: „Im Namen der Ärzteschaft spreche ich dem Verein meine aufrichtige Anerkennung aus”. fredrick sams

Die Einsätze beginnen ab der zwölften Schwangerschaftswoche und erfolgen ehrenamtlich – meist direkt in den Geburtsstationen. Auch Kinder, die nach der Geburt auf der Intensivstation sterben, werden begleitet. Die entstandenen Fotos werden den Eltern in einer liebevoll gestalteten Erinnerungsbox überreicht, die auch Platz für persönliche Erinnerungsstücke wie den Mutter-Kind-Pass oder ein erstes Kleidungsstück bietet. Prim. Dr. Michael Rohde vom LKH Bregenz: „Im Namen der Ärzteschaft spreche ich dem Verein meine aufrichtige Anerkennung aus. Dieses Engagement verdient höchsten Respekt – dem gesamten Team ebenso wie all jenen Ehrenamtlichen, die mit Beständigkeit, Einfühlungsvermögen und großer Sorgfalt begleiten und unterstützen“.

VergissMichtNicht - Sternenkinder Fotografie
Vorarlberg ist das einzige Bundesland, in dem es ein flächendeckendes Angebot für
Sternenkind Fotografie gibt. MEDIArt | Andreas Uher

Wie wichtig diese Bilder sind, berichten auch betroffene Eltern. Sophia Rüscher-Fussenegger von der Selbsthilfegruppe Sternen-Klar: „Ich habe meinen Theo 2020 in der 26. Schwangerschaftswoche verloren. Leider hatten wir damals nicht die Möglichkeit, ein Angebot wie die Sternenkind-Fotografie in Anspruch zu nehmen. Die Hebammen haben ihr Bestes gegeben – aber wenn ich heute die liebevollen Erinnerungsfotos der Sternenkinder-Fotografen sehe, wünsche ich mir, ich hätte solche Schätze gehabt. Gerade in der ersten Zeit waren die wenigen Bilder, die wir hatten, unendlich wichtig, weil sie halfen, das Unfassbare ein wenig begreifbarer zu machen”.

Ein weiterer Baustein der Vereinsarbeit ist die Zusammenarbeit mit Künstlern. Alle zwei Jahre findet eine Benefizauktion statt, bei der fünf nummerierte und handsignierte Reproduktionen eines Werkes versteigert werden. Der Erlös kommt dem Verein zugute – und damit Menschen, die in einer besonders verletzlichen Lebenssituation Unterstützung brauchen.

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Diese Sternenkinder sind nun dank der Fotografien sichtbar – als Zeichen dafür, dass sie da waren und geliebt werden. Ihre Existenz anzuerkennen und ihren Eltern Raum für Trauer und Erinnerung zu geben, ist ein Zeichen von Menschlichkeit. Das Angebot von „VergissMichNicht“ ist ein leises, aber wirkungsvolles Plädoyer dafür, den Tod eines Kindes nicht zu tabuisieren – sondern als Teil des Lebens zu begreifen.