Minimalistische Studie in Weiß-Schwarz-Rot

Kultur / 24.03.2025 • 11:36 Uhr
Eugen Onegin
Nicht Fülle, sondern Reduktion lautete das Motto bei der Innsbrucker Inszenierung des “Eugen Onegin”. BIRGIT GUFLER

Intensive Premiere von „Eugen Onegin“ in Innsbruck.

Innsbruck Tschaikowskis „Eugen Onegin“ gilt als Prototyp hochemotionalen Musiktheaters: Die unerfüllte Liebe zwischen der sensiblen Tatjana und dem Dandy Onegin und die Freundschaft zwischen Onegin und dem Dichter Lenski, den er im Duell tötet, sind musikalisch intensiv gestaltet. Bei der Premiere der Neuproduktion des Tiroler Landestheaters am letzten Samstag gingen Regisseurin Eva-Maria Höckmayr und Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Rösler einen konträren Weg. Nicht Fülle, sondern Reduktion lautete das Motto. Das Bühnenbild besteht lediglich aus weißen Wänden, die schönen Kostüme im Stil der Biedermeierzeit sind etwas schematisch in den Farben Weiß, Schwarz und Rot gehalten (die Farben des Matriarchats).

Eugen Onegin
Die Neuproduktion von Tschaikowskis „Eugen Onegin“ am Tiroler Landestheater beeindruckte mit einer minimalistischen Inszenierung. BIRGIT GUFLER

Durch diese reduzierte Farbgebung wirkt die Szene fast wie eine Versuchsanordnung. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Höckmayr eine zusätzliche Figur einführt, „Sie“ genannt (Eleonore Bürcher), eine alte Frau von heute im schwarzen Anzug, die das Geschehen auf der Bühne beobachtet, manchmal kommentiert und sich Tatjana annähert, indem sie in ihre Kleider schlüpft. Am Ende der Briefszene umarmt sie diese sogar von hinten, was vermutlich Mitgefühl ausdrücken soll, aber geradezu übergriffig wirkt. Durch diesen fragwürdigen Regieeinfall wird für das Publikum die Identifikation mit den Sängerinnen und Sängern erschwert, da bei ihren intimsten Gefühlsäußerungen schon eine Beobachterinstanz auf der Bühne dazwischengeschaltet ist.

Eugen Onegin
Starke musikalische Darbietungen von Marie Smolka und Jacob Phillips.BIRGIT GUFLER

Trotz dieses Störfaktors vor allem im 1. Akt gelingt Höckmayr eine intensive Inszenierung, die auch optisch einiges bietet, etwa wenn der Chor wie folkloristische Lemuren mit weißen Gesichtern und rot-weißen Strahlenhauben auftritt, wenn die Schwarz tragende Ballgesellschaft bei Tatjanas Namenstag wie eine Trauergemeinde wirkt, vor der der ganz in Weiß in spanische Hoftracht gekleidete Monsieur Triquet umso mehr absticht oder wenn die Petersburger Gesellschaft im Stechschritt einmarschiert.

Eugen Onegin

Leuchtender Gefühlskern des Abends ist die Tatjana der Sopranistin Marie Smolka, die die emotionale Gefährdung und gleichzeitig Stärke dieser Figur darstellerisch wie gesanglich hochintensiv auf die Bühne bringt. Jacob Phillips als Onegin – in Bregenz hat man ihn als Gianni Schicchi im Opernstudio des vergangenen Sommers noch in bester Erinnerung – verkörpert die Unentschlossenheit, Brutalität und schließlich Leidenschaft seiner Rolle mit geschmeidigem Bariton und subtilen Nuancen.

Eugen Onegin

Emotional eindringlich und stimmlich wunderbar war der Lenski des Russen Alexander Fedorov, der für seine Arie „Duda, duda“ begeisterten Szenenapplaus erntete. Bernarda Klinar als Olga, anfänglich etwas steif und nicht ganz glaubwürdig in der Rolle der kindlich-vergnügten Leichtsinnigen, gewann an Format. Auch Abongile Fumba als die Mutter Larina und Fotini Athanasaki als mütterliche Amme Filipjewna überzeugten. Stimmlich etwas schwächer waren Florian Stern als Triquet und Johannes Maria Wimmer als Fürst Gremin, der Chor klang anfangs noch etwas holprig.

Eugen Onegin

Mathew Toogood am Pult des Tiroler Symphonieorchesters (die beide auf der Besetzungsseite im Programmheft vergessen wurden) setzte Tschaikowskis romantischen Orchesterklang mit feinen Nuancen, viel Gespür für die Melancholie dieser Musik, aber auch mit tänzerischem Schwung und kräftigen Attacken um. Das Publikum dankte mit langem, herzlichem Applaus und Bravorufen, in die sich auch einige Buhs für die Regie mischten.

Ulrike Längle