Die Poesie des Flüchtigen, der Witz des Tierischen

Kultur / 08.07.2025 • 13:21 Uhr
DSC_5789.jpg
Die Camerata Musica Reno setzt sich aus großartigen junge Musikerinnen und Musiker zusammen. book chung chi

Die Camerata Musica Reno überzeugte mit einem fein balancierten Konzertprogramm.

Bregenz Mit ihrem jüngsten Programm „Fantaisie Zoologique” ist den talentierten jungen Musikerinnen und Musikern der Camerata Musica Reno unter der Leitung von Tobias Grabher ein Abend gelungen, der auf ebenso poetische wie pointierte Weise zwei kontrastierende musikalische Welten gegenüberstellt: die impressionistische Innerlichkeit von Claude Debussy und Maurice Ravel und den geistreichen Humor von Camille Saint-Saëns. Zweimal im Theater Kosmos in Bregenz und einmal in der Tonhalle St. Gallen lud das Ensemble zu einer Klangreise zwischen Traumlandschaft und zoologischem Maskenball ein, die klug gestaltet, technisch präzise und mit hörbarem Engagement dargeboten wurde.

©Lukas-Grabher_Dirigent+Orchester-2_klein.jpg
Book Chung ChiDirigent Tobias Grabher führte das Orchester souverän und mit viel musikalischem Instinkt durch die Werke.

Den Auftakt bildeten zwei Schlüsselwerke des französischen Fin de Siècle, beide zart schillernd wie das Flirren eines Sommertags: Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ – in der Fassung für Klavier zu vier Händen, 1910 von Ravel selbst gefertigt – und Ravels „Pavane pour une infante défunte“, zuerst als Klavierstück, dann in der eleganten Orchesterfassung von 1910 gespielt.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Besonders beeindruckend war dabei nicht nur die klangliche Transparenz, mit der die Camerata Musica Reno agierte, sondern auch die subtile Tempogestaltung und das Einfühlungsvermögen für Schwebezustände. Grabher, der das Ensemble gegründet hat und es mit sicherem Gespür für Farben und dramaturgische Bögen dirigierte, gestaltete Debussys Tonpoesie mit feinem Atem. Die Musikerinnen und Musiker hielten ein gut ausbalanciertes Verhältnis zwischen struktureller Klarheit und klanglicher Weichzeichnung. Ravels „Pavane“ wurde mit stilistischer Eleganz und zurückhaltender Melancholie präsentiert – nicht als Trauermusik, sondern als stille Erinnerung.

DSC_5693.jpg
Book Chung ChiHanna Bachmann und Laura Maddalena Kasemann.

Im zweiten Teil kam mit Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ ein Kontrastprogramm zur Aufführung, das die Spielfreude und die musikalische Präzision des Ensembles in einem anderen Licht zeigte. Dass sich der Komponist zu Lebzeiten gegen öffentliche Aufführungen des Werks (mit Ausnahme des „Schwans“ – wunderschön gespielt von Hannah Eberle) wehrte, wirkt rückblickend kaum nachvollziehbar. Die Miniaturen verbinden feinen Witz mit formaler Raffinesse. Die Camerata Musica Reno setzte die musikalischen Charakterstücke mit klarer Profilierung und deutlicher Kontur um. Der „Löwe“ marschierte mit demonstrativer Würde, die „Hühner“ flatterten quirlig durcheinander, das „Aquarium“ schimmerte in changierenden Farben und die „Fossilien“ zeigten ironische Rückbezüge auf die Musikgeschichte. Besonders hervorzuheben ist die präzise Koordination der beiden Pianistinnen Hanna Bachmann und Laura Maddalena Kasemann. Sie gestalteten ihre Parts mit technischer Klarheit und subtilem Humor. Der Satz „Die Pianisten“, der leicht dem Übertreibungseffekt ausgeliefert ist, geriet bei ihnen zu einer stilistisch kontrollierten Parodie – ein gelungener Moment des Abends. Ein wichtiger Beitrag zum Gelingen des Konzerts kam auch vom Sprecher Hubert Dragaschnig, der ausgewählte Texte von Loriot und Peter Ustinov vortrug. Mit präzisem Timing und kluger Dosierung von Ironie und Ernst verlieh er den Tierporträts sprachlichen Charakter. Dabei wurde die Musik nicht illustriert, sondern um eine zusätzliche Ebene erweitert.

DSC_5766.jpg
Book Chung ChiHubert Dragaschnig trug ausgewählte Texte von Loriot und Peter Ustinov zum „Karneval der Tiere“ vor.

Insgesamt hinterließ der Abend den Eindruck eines präzise gestalteten und musikalisch überzeugenden Programms, das seine Kontraste bewusst betonte. Tobias Grabher und die Camerata Musica Reno zeigten, dass sich auch bekannte Werke des Repertoires neu hören lassen – mit gestalterischer Disziplin, stilistischer Klarheit und einem Bewusstsein für das Verhältnis von Form und Ausdruck.