Wenn Ironie zu großer Kunst wird

Ein meisterlicher Auftakt der Feldkircher Schattenburg Konzerte mit Hugo Wolf.
Feldkirch Mit Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ einen Liederabend zu eröffnen, ist ein kühner Entschluss – nicht nur wegen der textlich so raffinierten und musikalisch so fein gesponnenen Miniaturen, sondern auch, weil diese 46 Lieder in ihrer Pointiertheit, ihrer Ironie und oft auch Boshaftigkeit eine enorme sängerische und darstellerische Spannweite verlangen. Das Trio Hannah Gries (Sopran), Daniel Raschinsky (Bariton) und Mihály Zeke (Klavier) stellte sich dieser Herausforderung – und meisterte sie am Montagabend im stimmungsvollen Rittersaal der Schattenburg mit souveräner Stilsicherheit, kluger Dramaturgie und sichtbarer Lust an der Zwischennote. Das Publikum honorierte dies mit begeistertem Applaus. Schon das erste Lied, „Auch kleine Dinge können uns entzücken“, schuf die Grundhaltung des Abends: subtile Nuancen statt dramatischer Gesten, kluge Zurückhaltung, wo die Musik ohnehin alles sagt. Hannah Gries ließ ihren klar fokussierten Sopran mit Leichtigkeit durch die hohen Lagen fließen – stets kontrolliert und nie unnötig auftrumpfend. Ihre Gestaltung war durchdrungen von feinem Textverständnis und innerer Spannung, was besonders in Stücken wie „Du denkst, mit einem Fädchen mich zu fangen“ oder dem schwebend-wehmütigen „Sterb’ ich, so hüllt in Blumen meine Glieder“ eindrücklich wurde.

Daniel Raschinsky setzte dazu einen wohlklingenden, lyrisch geerdeten Bariton, der in den ironischen, oft spöttischen Männerliedern eine wunderbare Präsenz entfaltete. Seine Interpretation von „Ich hab in Penna einen Liebsten wohnen“ geriet ebenso amüsant wie kontrolliert – keine plumpe Überzeichnung, sondern ein gezielter Witz in Ton und Haltung. Auch in den ernsteren Nummern, wie dem sehnsuchtsvoll gesungenen „Und steht Ihr früh am Morgen auf vom Bette“, zeigte Raschinsky seine stimmliche Vielschichtigkeit und Ausdrucksintensität. Was beide Sänger einte, war ihr starkes szenisches Gespür und die Fähigkeit, gemeinsam Geschichten zu erzählen. Sie begegneten sich auf Augenhöhe, warfen sich die musikalischen Bälle zu und konterten sich in Dialogen wie „Wie lange schon war immer mein Verlangen” mit entwaffnender Natürlichkeit – und ließen damit den intimen Charakter dieser Lieder in exemplarischer Weise aufleben.
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Rückgrat des Abends war Mihály Zeke am Klavier – ein Liedbegleiter im besten Sinne: transparent im Anschlag, sensibel im Timing und dramaturgisch mitdenkender Impulsgeber. Wolfs oftmals dichte, harmonisch kühn changierende Klaviersätze spielte Zeke mit einer Mischung aus analytischer Klarheit und poetischer Freiheit. Besonders in den Binnenmomenten, wenn die Sänger pausierten und der Flügel die Erzählung weiterführte, wusste er durch Klangfarben und differenzierte Artikulation feine Bedeutungsräume zu eröffnen. Dass dieser Liederabend trotz oder gerade wegen der Vielzahl der Miniaturen nie langatmig wirkte, lag nicht zuletzt an der intelligenten Programmgestaltung: Der Zyklus wurde in Blöcke gegliedert, zwischen denen sich innere Themenlinien entwickelten. Mal standen Liebesfreud und Liebesleid nebeneinander, mal ironischer Eigensinn gegen sehnsuchtsvolle Klage. So entstand ein Streifzug durch die vielgestaltige Welt der Liebe und ein tief geformtes, vielschichtiges Porträt zweier Liebender, das sich mal im Zwiegesang und mal im inneren Monolog manifestierte.
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Als Zugabe gab es das von Johannes Brahms so wunderbar bearbeitete schwäbische Volkslied „Da unten im Tale“.