Ein Höhepunkt des tiefen Tons

Der Wiener Concert-Verein zwischen Resonanzraum der Gegenwart und der Romantik.
Bregenz Wenn der Wiener Concert-Verein im Rahmen von „zeitklang im museum“ im vorarlberg museum gastiert, dann geht es nicht allein um klangliche Meisterschaft, sondern um das Verhältnis von Musik, Raum und Zeit, um Gegenwart im Spiegel künstlerischer Reflexion.

Der Abend begann und endete mit Uraufführungen des jungen Vorarlberger Komponisten Alexander Swoboda (Jahrgang 2003). Seine „Walzer, op. 31 – Hommage an Johann Strauss II” sowie das abschließende „Nocturne, op. 33” wurden vom Komponisten selbst am Klavier interpretiert – mit spürbarem Ernst, technischer Klarheit und klanglichem Feingefühl. Die Werke sind sorgfältig gearbeitet, harmonisch süffig und voller melodischem Gespür. Doch gerade weil Swoboda so hörbar Talent mitbringt, wünschte man sich mehr: mehr Risiko, mehr Reibung, mehr Neugier auf das Unbekannte. Die Romantik nachzuempfinden, ist ein solider Anfang, doch erst, wenn die Sprache der Gegenwart durchschimmert, wird es künstlerisch spannend.

Dem gegenüber stand das Trio des Wiener Komponisten Reinhard Süss für Klavier (Reinhard Süss), Violoncello (Michael Vogt) und Kontrabass (Ernst Weissensteiner). Diese ungewöhnliche Besetzung ist klanglich reizvoll und formal durchdacht. Inspiriert von der Geburt seines Enkelkindes entfaltet das Stück eine berührende Ambivalenz: Glück und Melancholie, Hoffnung und Rückblick überlagern sich in einer Rondo-Struktur, die das Thema nicht in Zyklen, sondern in wellenartigen Stimmungsbrechungen führt. Süss zitiert Beethoven – nicht wörtlich, sondern strukturell –, insbesondere dessen späte Sonaten, in denen sich tänzerische Lebensfreude mit tiefer Kontemplation verbindet. Die Komposition wirkt wie ein intimes musikalisches Tagebuch: Sie hat einen improvisatorischen Ursprung, wurde aber durch einen künstlerischen Willen in Form gebracht, der Gefühl und Architektur miteinander versöhnt. Im Licht dieses Werks erscheint es fast zwingend, dass der Begriff der Resilienz das diesjährige Festivalmotto bildet.

Einen programmatischen Kontrapunkt setzte Dietmar Kirchners erster Satz aus dem Streichquartett „Winterspelt“, das seinen Namen und seine Inspiration einem Roman von Alfred Andersch über eine moralisch zerrissene Grenzkompanie im Zweiten Weltkrieg verdankt. Kirchners Werk wurde interpretiert von Georgy Begletsov und Yuliya Kazimirovich (Violinen), Katharina Plankensteiner (Viola) und Katrin Schickedanz-Wieser (Violoncello). Der Satz übersetzt literarische Düsternis in klangliche Bewegung: Flirrende Motivsplitter, dunkle Farben und Brüche im Rhythmus wirken fragil, tastend und fragmentiert. Doch gerade diese Fragmentierung wird zum formalen Prinzip: Themen erscheinen, verschwinden, kehren verändert zurück, wechseln die Stimme, lösen sich auf. Kirchners Musik ist ein Spiegel der Unsicherheit und damit, wie Anderschs Roman, ein Plädoyer für das Denken im Dazwischen.
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Durch den Abend führte Manfred Welte mit Charme und Eloquenz. Seine Moderationen und Gespräche mit den Komponisten schlugen eine Brücke zwischen Publikum und Werk, zwischen Klang und Kontext. So wurde „zeitklang im museum I“ nicht nur zum musikalischen Erlebnis, sondern auch zu einer Auseinandersetzung mit dem Hören in unserer Zeit. Ein gelungener Auftakt, klug programmiert und subtil ausgeführt.

Am kommenden Freitag findet „zeitklang im museum“, Teil zwei, statt: ein Orchesterkonzert mit Lesung, bei dem der international gefeierte Hornist Felix Klieser zu Gast ist.