Alma Mahlers Lieder verzaubern Bregenz

Kultur / 17.08.2025 • 15:13 Uhr
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Das 4. Orchesterkonzert brachte am Sonntagvormittag Werke von Oskar Fried sowie Alma und Gustav Mahler auf die Bühne. BF / Christian Lins

Das vierte Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele mit dem Symphonieorchester Vorarlberg.

Bregenz Manchmal beginnt ein Konzert mit einer Pflichtübung, ehe es Fahrt aufnimmt. So war es auch beim vierten Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Leo McFall. Den Auftakt bildete Oskar Frieds „Fantasie über Motive aus Hänsel und Gretel“ – eine respektvolle und solide gearbeitete Bearbeitung von Engelbert Humperdincks Märchenoper, die Fried um das Jahr 1900 herum für den Konzertsaal eingerichtet hatte. Was der Berliner Dirigent und Komponist schuf, ist keine bloße Potpourri-Sammlung, sondern eine in sich stimmige Suite, die bekannte Themen wie den „Abendsegen” oder die finale Apotheose in symphonische Gestalt bringt. Und doch wollte am Sonntagvormittag im Festspielhaus daraus kein wirklicher Funke überspringen. Das Orchester musizierte zuverlässig, sorgfältig und klangschön, McFall hielt die Balance, ließ die warmen Streicher singen und die Holzbläser freundlich aufleuchten – aber aufregend war es nicht. Der Applaus war artig, aber nicht euphorisch. Ein braves Stück, brav gespielt: nett, doch ohne Magie.

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BF / Christian LinsDie ungarische MezzosopranistinDorottya Láng,

Ganz anders klangen Alma Mahlers “Sieben Lieder” in der Orchestrierung der Brüder David und Colin Matthews. Schon die ersten Takte der „Stillen Stadt“ signalisierten: Hier spricht eine eigenständige Stimme, sensibel und zugleich von dramatischer Intensität. Alma Mahler, selbstbewusste Wienerin, Komponistin, Muse und Ehefrau, hinterließ ein schmales, doch hochkarätiges Œuvre. Dass dieses nicht größer wurde, liegt an der bekannten Forderung Gustav Mahlers, sie möge das Komponieren aufgeben als Bedingung für die Heirat. Alma willigte ein, zerbrach beinahe daran und erst 1910, im Schatten ihrer Affäre mit Walter Gropius, hob Mahler diese Beschränkung auf. Welch fatale Verschwendung von Begabung!

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BF / Christian LinsLeo McFall.

An diesem Vormittag konnte man hören, welche großartige Komponistin hier unterdrückt wurde. Dorottya Láng, die ungarische Mezzosopranistin, gestaltete die Lieder mit nuancenreicher Klangfülle, schattierte zwischen Zartheit und expressiver Emphase, ohne je ins Forcierte zu geraten. Besonders in „Laue Sommernacht“ und „Hymne an die Nacht“ verband sie lyrische Innigkeit mit einer farbigen Mittellage, die den Raum füllte. McFall und das Symphonieorchester Vorarlberg begleiteten aufmerksam, legten feine orchestrale Teppiche, die die Gesangslinie stützten, ohne sie zu überdecken.

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Nach der Pause stand dann Gustav Mahler selbst auf dem Programm: seine 4. Symphonie in G-Dur. Sie gilt als eine der zugänglichsten und „heitersten“ unter seinen Sinfonien, doch der Schein trügt. Die 1901 in München uraufgeführte Symphonie entfaltet in ihren vier Sätzen eine eigenwillige Mischung aus volkstümlichen Anklängen, ironischer Brechung und lyrischer Innigkeit. Schon das eröffnende Allegro beschwört in tänzerischen Rhythmen eine fast klassische Klarheit, die jedoch von subtilen Verschattungen durchzogen ist. Im zweiten Satz tritt die groteske Figur eines „Freund Hein“ mit seiner scharf gestrichenen Geige auf – eine Musik zwischen Totentanz und ausgelassener Komödie. Der dritte Satz führt in eine weit ausgesponnene Kantilene, deren Melodik zu den schönsten Einfällen Mahlers gehört, bevor sich im Finale die Perspektive grundlegend verändert.

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BF / Christian LinsDie junge finnische Sopranistin Sonja Herranen.

Denn hier erklingt ein Sopransolo: In schlichter, fast kindlicher Weise wird das Wunderhorn-Lied „Das himmlische Leben“ gesungen, eine Vision vom Paradies aus der Sicht eines Kindes. Mahler selbst sprach davon, dass in dieser Symphonie „das ganze Werk auf die Darstellung der himmlischen Freude“ zulaufe – eine Musik, die auf ihre Weise Transzendenz und Unschuld verbindet, jedoch nicht ohne ironische Brechungen auskommt. Die junge finnische Sopranistin Sonja Herranen sang nicht süßlich, nicht kindlich-naiv, sondern mit einer unangestrengten Natürlichkeit, die genau den richtigen Ton traf. So wurde das von Mahler beschworene Paradies nicht zu einer weltentrückten Idylle, sondern zu einer zarten, beinah gebrochenen Vision. Herranen fügte sich organisch in den symphonischen Strom ein, ohne vordergründige Effekte, und ihre Stimme verschmolz mit dem Orchester zu einem berührenden, fast entrückten Finale, das lange nachhallte.

Der große Applaus galt am Ende allen Beteiligten, besonders jedoch den beiden Sängerinnen, die den Abend entscheidend prägten. Während Dorottya Láng mit ihrer farbenreichen Mezzostimme Almas unterdrücktes Genie zum Strahlen brachte, verlieh Sonja Herranen mit ihrem klaren Sopran der Vision des „himmlischen Lebens“ eine eindringliche Stimme.