Fantasievolle Inszenierung von Strauss’ „Rosenkavalier“

Das Opernhaus Zürich startete am Sonntag glanzvoll in die neue Saison.
Zürich Mit Lydia Steiers Inszenierung von Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ eröffnete das Opernhaus Zürich am Sonntag die neue Saison. Auf der Bühne entfaltet sich dabei ein Kaleidoskop aus Farben, Fantasie und historischen Versatzstücken, das sich in fließenden Übergängen zwischen Rokoko, Moderne und grotesken Albtraumbildern bewegt. Schon vor zwei Jahrzehnten kreierte Gottfried Helnwein Bühne und Kostüme für einen „Rosenkavalier“ in Los Angeles. Steier war davon so beeindruckt, dass sie ihren „Rosenkavalier“ mit diesem Setting inszenieren wollte.

Der erste Akt, fest im Spätrokoko Maria Theresias verankert, zeigte eine blaue Wand, die sich während der Szenen ständig verwandelte. Vom intimen Schlafgemach wandelte sich das Bild zum Symbol eines Gefängnisses, als die Marschallin über das Vergehen der Zeit sang. In Totenköpfe verwandelte sich die Szenerie schließlich, bevor sie wieder in den Festsaal zurückkehrte – ein fließender Bilderstrom, der die fragile Balance von Liebe, Vergänglichkeit und Schicksal atmosphärisch spiegelte.

Im zweiten Akt verschob Steier die Handlung in die Zeit nach Napoleon. Eine monumentale Treppe drehte sich während der Begegnungen von Octavian und Sophie, begleitet von wechselnder Beleuchtung und einem Sternenhimmel. Der Eindruck einer Disney-artigen Traumsequenz entstand, in der die Zeit stillzustehen schien. Der dritte Akt schließlich brachte den stärksten Bruch: ein rotes Albtraumszenario, in dem Rokoko, Moderne und erotische Obsessionen kollidierten. Gerüstkonstruktionen, blinkende Frauenbilder, Totenköpfe und ein BDSM-Spiel um Baron Ochs verschmolzen zu einem grotesken Panoptikum, das am Ende wieder in das rote Bett des Anfangs mündete – diesmal als Symbol einer neuen, jungen Liebe.

Steiers Kostümvielfalt unterstrich den Gedanken der Zeitenmischung. Die Marschallin wandelte sich von jugendlicher Leichtigkeit zu würdevoller Strenge, während moderne Uniformen, Rokoko-Pracht und 30er-Jahre-Anleihen aufeinanderprallten. Fantasiegestalten – vom Kaninchenkopf bis zur Albtraumfigur auf Stelzen – verliehen dem Abend einen surrealen Charakter. Sexualität wurde nicht ausgespart: von simuliertem Oralverkehr im ersten Akt bis zur expliziten Vereinigung Sophies und Octavians im letzten, während Baron Ochs in sadomasochistischen Spielen versank.

Inmitten dieses überbordenden Szenarios setzte Diana Damrau als Marschallin den entscheidenden Akzent. Ihre Interpretation wirkte wie eine künstlerische Selbstreflexion: einst selbst als Sophie gefeiert, gestaltete sie nun mit lyrischer Reife eine Figur, die den Lauf der Zeit akzeptiert. Ihre Stimme spannte den Bogen von jugendlicher Leichtigkeit über schwebende Pianissimi bis hin zu machtvollen Legato-Linien im Abschied. Angela Brower überzeugte als Octavian mit einem warmen Mezzosopran, der zwischen jugendlicher Leidenschaft, Verwirrung und wachsender Reife changierte. Emily Pogorelc zeichnete eine energiegeladene, mutige Sophie, die vokal wie darstellerisch leuchtete. Günther Groissböck glänzt in seiner Paraderolle als Baron Ochs.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Im Orchestergraben ließ Joana Mallwitz Strauss’ Partitur in farbenreicher Leuchtkraft erstrahlen. Sie balancierte die wuchtigen Steigerungen mit sensibler Begleitung der Sänger und fand in Walzer, Rosenüberreichung und Trio zu großer Eleganz und Spannung. So verband sich ein visuell opulentes Regiekonzept mit einer sängerisch und musikalisch gelungene Aufführung.