Die Dunkelheit hinter dem Ruhm

Kultur / 22.10.2025 • 09:18 Uhr
Film Fall Preview
Bruce Springsteen zeigte sich über die Leistung von Jeremy Allen White begeistert. Macall Polay/20th Century Studios

Bruce Springsteen: Ein Film über Schuld, Schweigen und die heilende Kraft der Musik.

Biopic Bevor Bruce Springsteen zu jener überlebensgroßen Ikone des amerikanischen Rock wurde, die Stadien füllte und Millionen begeisterte, stand er am Abgrund seiner eigenen Seele. „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“, der neue Film von Scott Cooper, blickt genau in diese Dunkelheit: in die frühen Achtzigerjahre, als Springsteen nach der The-River-Welttournee nach Hause zurückkehrte, ausgebrannt, innerlich leer und unfähig, das Leben im Rampenlicht zu ertragen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich selbst in den Schatten verlor und dort das Werk fand, das ihn für immer verändern sollte: “Nebraska”. Jeremy Allen White, bekannt aus „The Bear“, spielt den jungen Springsteen mit einer Intensität, die zwischen Wut, Scham und Sehnsucht flackert. Gleich zu Beginn steht er auf der Bühne und singt „Born to Run“ – die Schultern leicht hochgezogen, das Gesicht verzerrt. Man spürt, dass etwas in ihm brennt. Doch bald kippt die Euphorie in Schwermut. Cooper zeigt einen Musiker, der an der Schwelle zum Weltruhm steht und zugleich an sich selbst zerbricht. Die Plattenfirma fordert neue Hits, doch Bruce zieht sich zurück, geplagt von Depressionen und den Erinnerungen an eine schwierige Kindheit. In kontrastreichen Schwarz-Weiß-Rückblenden wird diese sichtbar: der Vater, ein trinkender, jähzorniger Mann (Stephen Graham), die Mutter (Gaby Hoffmann), die versucht, das fragile Familiengefüge zusammenzuhalten, und der Junge, der sich in seinem Zimmer verkriecht und in der Musik Zuflucht findet. Diese Szenen verleihen dem Film eine stille Wucht, fern jeder Rockstar-Romantik.

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Der Film folgt Springsteen in sein unscheinbares Schlafzimmer in New Jersey, wo er allein mit Gitarre, Mundharmonika und einem Vierspurrekorder die Songs von „Nebraska” aufnimmt – Lieder über Verlorene und Gesetzlose, über das dunkle Amerika. Kein Produzent, keine Band, kein Studio – nur ein Mann und seine Dämonen. Für die Plattenfirma war das ein Affront, für Springsteen ein Akt der Selbstrettung. Jeremy Strong (bekannt aus „Succession”) überzeugt als Jon Landau, der loyale Manager, der zwischen Künstler und Industrie vermittelt und dabei zwischen Pflichtgefühl und Freundschaft zerrieben wird. Cooper inszeniert dieses Spannungsfeld mit leiser Dringlichkeit, vermeidet Pathos und findet immer wieder Momente von fast dokumentarischer Echtheit. „Deliver Me From Nowhere“ ist kein Biopic, das die Erfolge eines Stars abspult. Vielmehr ist es das Porträt eines Menschen, der lernt, seine Schwächen zuzulassen – und darin seine größte Stärke findet. Die Beziehung zu seinem Vater zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung, während die zarte Liebesgeschichte mit der Kellnerin Faye (Odessa Young) fast zur Randnotiz wird. Wichtiger ist der Moment, in dem Springsteen begreift, dass er Hilfe braucht und sich in Therapie begibt. Das macht den Film zu einer universellen Erzählung über mentale Gesundheit, Einsamkeit und Heilung.

White singt selbst und tut dies mit so viel Respekt, dass man vergisst, einen Schauspieler zu sehen. Regisseur Cooper verzichtet auf Effekthascherei und die Versuchung des Glanzes. So entsteht ein intimes, stilles Künstlerporträt, getragen von Musik, Schweigen und den flüchtigen Gesten eines Mannes, der seinen Weg aus der Dunkelheit sucht. Springsteen selbst soll den Film mehrfach besucht haben. Er habe, so Cooper, „keinen Glanz, kein Spektakel, nur Wahrheit“ gewollt. Als er Jeremy Allen White sah, nickte er nur: „Er hat mich verstanden.“

Regie: Scott Cooper
Drehbuch: Scott Cooper
Besetzung: Jeremy Allen White, Jeremy Strong, Paul Walter Hauser