„Erntedank“ von Ilse Krumpöck

Ein Buch über Nachkriegsösterreich und die Figur des Julius Hollenstein.
schwarzach Ilse Krumpöck, 1952 in Bregenz geboren, war als Lehrerin an Volks- und Hauptschulen in Bregenz tätig und leitete viele Jahre lang das kunsthistorische Referat im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. In ihrem Buch „Erntedank“ widmet sie sich einem schwierigen und zugleich aufschlussreichen Thema: der Nachwirkung des Nationalsozialismus im ländlichen Österreich. Im Mittelpunkt steht die Figur des Julius Hollenstein, eines begeisterten Turners und überzeugten Mitläufers, der sich nach 1945 als Familienvater in Ottenschlag niederlässt und dort mit erschreckender Konsequenz jene autoritären Muster weiterträgt, die ihn in der NS-Zeit geprägt haben.
Krumpöck zeichnet das Porträt eines Mannes, der zwischen Anpassung und Aggression schwankt, zwischen kleinbürgerlicher Ordnung und zerstörerischem Machtbedürfnis. Seine Geschichte kulminiert in einem Verbrechen, das nicht nur eine persönliche Tragödie darstellt, sondern zugleich ein Schlaglicht auf die unbewältigten Schatten der Nachkriegszeit wirft.
Die Autorin, die sich seit Jahren mit zeitgeschichtlichen Themen und besonders mit dem Antisemitismus im Waldviertel auseinandersetzt, nähert sich dem Stoff mit historischer Genauigkeit und dokumentarischem Anspruch. Sie verzichtet weitgehend auf psychologisierende oder moralisierende Zuspitzungen. Stattdessen versucht sie, aus den Lebensumständen, aus Milieu, Sprache und Mentalität heraus zu erklären, wie ein Mensch wie Julius Hollenstein zum Täter werden kann und warum die Gesellschaft ihn so lange gewähren ließ.
Das Buch folgt einer klaren, chronologischen Struktur, gegliedert in sechs Teile: von der Jugend des Protagonisten über Krieg und Nachkriegszeit bis hin zur „Ernte“ der eigenen Schuld. Diese Einteilung verweist nicht nur auf den bäuerlichen Hintergrund der Geschichte, sondern auch auf das zynische Spannungsverhältnis zwischen Arbeit, Gewalt und Selbstrechtfertigung, das die Nachkriegsjahre vielerorts prägte.
„Erntedank“ ist kein leichtes Buch, weder sprachlich noch thematisch. Es konfrontiert Leserinnen und Leser mit der Frage nach Mitverantwortung, Verdrängung und dem langen Nachhall ideologischer Verblendung.