Dieser Frühling wird ein Traum

Kultur / 03.11.2025 • 15:15 Uhr
Dieser Frühling wird ein Traum
Tom Visser“Theatre of Dreams” von Hofesh Shechter darf als Kernstück des Festivals verstanden werden.

Der Bregenzer Frühling 2026 läuft unter dem Motto “Keep Dreaming, Baby”. Doch Zeit zum Schlafen bleibt keine.

Bregenz Es ist wohl eine Eigenheit des Menschen, dass er, sobald sich die Blätter an den Bäumen zu färben beginnen, sich den Frühling herbeisehnt. Dabei ist der Herbst doch eine schöne Jahreszeit, eine Zeit des Wandels, in der selbst hartgesottene Melancholiker zur Stimmungsaufbesserung zur Musik von Leonard Cohen greifen. Worauf man sich in dieser Jahreszeit jedoch besonders freuen darf, speziell was die Hoffnung an eine bessere Zukunft anbelangt, ist die jährliche Pressekonferenz zur im März 2026 startenden Saison des Tanzfestivals Bregenzer Frühling. Der Kulturservice Bregenz schüttelt sich jedes Jahr aufs neue den Staub der Vernunft von den Schultern und organisiert ein Programm, das beweist: Verwaltung kann auch Verzückung.

Höhen und Tiefen

“Alle Produktionen werden eine hundertprozentige Auslastung haben”, prophezeit Kulturservice-Leiterin Judith Reichart. Und man mag es ihr gerne glauben, denn mit dem sich selbst auferlegten Motto “Keep Dreaming, Baby” zieht sich ein roter Faden durch das Programm, der wirkt, als wäre er von Carl Gustav Jung selbst gesponnen worden. Das geht ganz tief und gleichsam himmelhoch hinauf. Spannung ist also garantiert. “Es geht um Urgefühle, um Träume, darum, was eigentlich Glück ist und wohin wir als Menschen streben”, führt Reichart leidenschaftlich weiter aus.

Dieser Frühling wird ein Traum
Roland PaulitschDie Pressekonferenz fand in den Räumlichkeiten des Magazin 4 statt.

Auch die Politik ist sich nicht zu schade, lobende Worte über die Wichtigkeit dieses Festivals zu verlieren. “Es ist ein Leuchtturm”, meint Kulturstadtrat Reinhold Einwallner (SPÖ). “Der Bregenzer Frühling wirkt – wie die Meisterkonzerte – weit über die Grenzen hinaus und ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Man kann auch sagen: Diese Programme sind der Stolz der Stadt.” Lobende Worte für die Kultur in Zeiten, in denen kein Wahlkampf geführt wird, sind selten. Und noch seltener sind sie so wahr.

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Nun denn: Das Programm

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sylvie-ann-pare

Marie Chouinard eröffnet am 14. März 2026 mit einem Doppelschlag aus Ekstase und Ordnung. In “Magnificat” fliegt Bach durch den Körper wie göttliches Koffein; in “The Rite of Spring” bricht die Schöpfung erneut aus, diesmal mit Hüftschwung. Chouinard braucht keine Geschichte – sie lässt Energie sprechen, Licht denken und Muskeln predigen. Es ist Tanz als Gottesdienst ohne Ablasszahlung, ein barocker Taumel, der sich in Strawinskys archaischer Raserei verliert und als zitternde Feier des Menschlichen wieder auftaucht.

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hiraku ikeda

Und dann, als hätte sie selbst noch Sehnsucht nach Stille, installiert Chouinard tags darauf im KUB ihr “In Museum”: Ein Besucher, ein Wunsch, ein Tanz. Kein Spektakel, sondern ein Flüstern mit Bewegung – und ein schöner Beweis, dass Bregenz auch im Kleinen groß träumt. Ein Ticket fürs Kunsthaus reicht als Eintritt für diese Kooperation.

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todd macdonald

Bei Hofesh Shechter ist der Traum am 28. März elektrisch. “Theatre of Dreams” klingt nach sanftem Schlummer, ist aber ein Schlagzeug auf zwei Beinen. Shechter treibt seine Tänzer in ein Labyrinth aus Nebel, Licht und Bass, in dem der Mensch sich selbst begegnet – und höflich erschrickt. Das Stück schwankt zwischen Wut und Anmut, zwischen Reflex und Reflexion. Hier wird der Tanz zur Methode des Widerstands: Kein Kommentar, kein Zitat – nur der Körper, der Nein sagt und dabei wunderschön aussieht.

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Admillkuyler

Das Nederlands Dans Theater 2 liefert am 7. Mai mit “SAABA” von Sharon Eyal & Gai Behar und “Folkå” von Marcos Morau einen Abend voller Kontraste. “SAABA” ist Glühen in Zeitlupe – eine Choreografie, die gleichzeitig Herzschlag und Hypnose ist. Körper, die sich verlieren, um sich wiederzufinden, begleitet von einem Sound, der nach nächtlichem Club klingt. “Folkå” dagegen zieht die Mythen an die Oberfläche: Rituale, Erinnerungen, menschliche Restbestände in Bewegung. Morau lässt den Tanz aussehen wie ein Lagerfeuer aus Erinnerung – flackernd, warm, nie ganz zu fassen.

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Am 29. Mai wechselt dann das Tempo. “Sounding Light” von Cheng Tsung-lung ist ein Gegenentwurf zum Dröhnen der Gegenwart. Kein Spektakel, keine Geste zu viel. Atem, Licht, Hände – mehr braucht es nicht. Hier tanzen die Elemente, als hätten sie die Menschheit kurz vergessen und seien froh darüber. Das Stück erinnert daran, dass Stille kein Rückzug ist, sondern eine Form der Klarheit. Und dass Schönheit nicht laut sein muss, um wahr zu sein.

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luis kaindlstorfer

Im Juni schlägt das Aktionstheater Ensemble dreimal mit “HUMAN – Ich bin Mensch” die Brücke von der Kunst zurück ins Leben. Martin Gruber lässt seine Darsteller stolpern, scheitern, reden und hoffen. Hier wird das Menschliche nicht gefeiert, sondern bejaht, mit aller Zumutung, die dazugehört. Ein Abend, der daran erinnert, dass wir keine Updates brauchen, sondern Mut. Und offenbar auch Tradition.

Im Namen der Schönheit

Der Bregenzer Frühling tanzt gegen die Schwerkraft der Gegenwart – mit Humor, Zärtlichkeit und gelegentlicher Kampfansage. So bleibt das Festival, was es immer war: ein höflicher Skandal im Namen der Schönheit. Und wer behauptet, die Welt ließe sich nicht vertanzen, hat einfach zu lange geschlafen und dabei schlecht geträumt.

Programm und Tickets

MAGNIFICAT/The Rite of Spring Marie Chouinard, Compagnie Marie Chouinard, 14. März, 20 Uhr, Festspielhaus
In Museum Marie Chouinard, Compagnie Marie Chouinard, 15. März, 11 Uhr, Kunsthaus Bregenz
Theatre of Dreams Hofesh Shechter, Hofesh Shechter Company, 28. März, 20 Uhr, Festspielhaus
SAABA ÖEA/Folkå Sharon Eyal & Gai Behar/Marcos Morau, Nederlands Dans Theater – NDT 2 NL, 7. Mai, 20 Uhr, Festspielhaus
Sounding Light Cheng Tsung-lung, Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan, 29. Mai, 20 Uhr, Festspielhaus
HUMAN — Ich bin Mensch Aktionstheater Ensemble, 11. bis 13. Juni, 20 Uhr, Theater Kosmos

Karten unter www.bregenzerfruehling.com/tickets, mit dem Tanzpass gibt es 20 Prozent, mit dem Jugendpass um 86 Euro kommt man in alle Veranstaltungen