Klang, Körper und Kreisläufe

Der Tiroler Clemens Tschurtschenthaler stellt in der Remise Bludenz aus.
Bludenz Mit der Ausstellung „See You When I See You (Akt II)“ widmet der Kunstraum Remise dem 1988 in Meran geborenen und in Wien lebenden Künstler Clemens Tschurtschenthaler eine umfassende Präsentation seines jüngsten Schaffens. Kuratiert von Anne Zühlke entfaltet sich ein Raum, der sich selbst zum Akteur erhebt, ein pulsierender Resonanzkörper aus Klang, Bewegung und Licht. Tschurtschenthaler, dessen Praxis von einem medienübergreifenden Ansatz geprägt ist, verwebt kinetische Skulpturen, Sound und Video zu raumgreifenden Installationen, die Wahrnehmung als körperlich-psychischen Prozess begreifbar machen. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit der ambivalenten Energie von Ritualen, mit Sakralarchitektur und Trancezuständen zwischen Ordnung und Kontrollverlust. „Der Raum wird zum Akteur, der das Gegenüber mit seinen narrativen Skulpturen konfrontiert“, erklärt Zühlke. Der Loop bildet dabei das konzeptuelle Rückgrat: Akustische und skulpturale Wiederholungen durchziehen die Räume der Remise, rhythmisieren sie und lassen sie gleichsam atmen. So entsteht eine Atmosphäre, in der Klang und Körper in endloser Bewegung verharren – ein Wechselspiel aus Spannung und Loslösung, das die Wahrnehmung in Schwingung versetzt.

Ein Schlüsselwerk ist die kinetische Skulptur „fontana (Rausch)“ (2025), eine fragile Konstruktion aus MDF-Fragmenten, floralen Elementen und Wassersymbolik. Während eine nachgebaute Opferschale langsam rotiert, bleibt das Wasser darin still, ein paradoxes Sinnbild für Transformation und Erstarrung zugleich. Gegenüber erhebt sich „Tracklist, TypeBeat, Monument“ (2025), eine monumentale Soundinstallation, die eigens produzierte Stücke wie Lamento, Portal und Im Nebel in streng getakteten Intervallen erklingen lässt. Diese repetitiven Klangräume, Weiterentwicklungen der früheren Arbeit Limbus (2024), schaffen eine Atmosphäre, die sich zwischen meditativer Monotonie und emotionaler Aufladung bewegt.

Begleitet werden die raumgreifenden Installationen von einer Serie kreisrunder Reliefs – den sogenannten „Tondis“. Gefräst aus farblich durchtränkten MDF-Platten, kreisen sie formal um Reduktion, Wiederholung und Präzision. Inhaltlich öffnen sie Assoziationsräume, die von Schwarmbewegungen und kollektiver Dynamik über Rennbahnen bis zu symbolischen Machtstrukturen reichen. Die Kreisform wird hier zur Metapher des ewigen Umlaufs, des Loops, der auch Tschurtschenthalers Klangarchitektur strukturiert. In dieser neuen Werkgruppe zeigt sich das zentrale Anliegen des Künstlers: Wahrnehmung als situativen, aktiven Prozess sichtbar zu machen. Tschurtschenthaler komponiert seine Ausstellungen wie Partituren, in denen sich Klang und Material gegenseitig bedingen. „Der Kunstraum wird zu einem Ort, an dem Wahrnehmung nicht nur stattfindet, sondern aktiv erzeugt wird“, beschreibt er selbst seinen Ansatz. Clemens Tschurtschenthaler, der 2021 sein Studium der Medienkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien abschloss, bewegt sich an der Schnittstelle von Skulptur, Installation, Video und Sound. Seine Arbeiten thematisieren Übergänge zwischen Innen und Außen, Individuum und Kollektiv, Natur und Urbanität. In der Videoarbeit serenade (2024) dekonstruiert er etwa die Ästhetik der Selbstoptimierung, während das Werk Doorstep ein deformiertes Rolltor als Schwelle und psychische Barriere inszeniert.
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Mit „See You When I See You (Akt II)“ öffnet Tschurtschenthaler die Tore zu einem sensorischen Erfahrungsraum, in dem Klang, Form und Bewegung eine fragile Ordnung eingehen, die sich im nächsten Moment schon wieder aufzulösen scheint.
Ausstellungsdauer: 7. November – 27. Dezember 2025
Ort: Kunstraum Remise Bludenz
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag sowie Sonn- und Feiertage 15 bis 18 Uhr