Wie die Zeit den Atem anhält

Schuberts Schweigen: Ein Konzerttheater der Pforte in Kooperation mit dem Schubert Theater Wien.
Feldkirch Das Epos Quartett und der aus Vorarlberg stammende Schauspieler und Puppenspieler Angelo Konzett brachten mit “Schuberts Schweigen – Wie die Zeit den Atem anhält” ein konzentriertes, intelligentes und kurzweiliges Konzerttheater über ein historische Begebenheit auf die Bühne: jene drei Monate, in denen Franz Schubert verstummte, nachdem er im März 1826 Beethovens „Große Fuge“ gehört hatte. Der Abend begann mit eben jener eruptiven Musik, die Schubert damals so erschütterte. Das Epos Quartett – Berit Cardas, Verena Sommer, Klaus Christa und François Poly – spielte Beethovens Opus 133 mit einer Dichte, die von der ersten Minute an deutlich machte, warum diese Fuge über ihre Zeit hinausweist. Keine Spur von akademischer Strenge, kein Ausweichen ins Glatte: Die vier Musiker formten aus den schroffen Linien und Kontrasten einen lebendigen, kompromisslosen Klangkörper. Gerade die bewusste Reduktion in den Übergängen und die transparent gearbeiteten Stimmen trugen dazu bei, dass sich Beethovens radikales Spätwerk in seiner formalen Unbedingtheit unaufgeregt und doch zwingend entfalten konnte.

Doch der besondere Charme des Abends offenbarte sich im zweiten Teil, als Angelo Konzett die Bühne betrat. Mit einer Mischung aus feinem Witz, präzisem Timing und großer Zuneigung für seine Figur ließ er Franz Schubert – als Puppe, als Mensch, als Suchenden – zum Erzähler seiner eigenen Sprachlosigkeit werden. Konzett gelang dabei das Kunststück, die innere Erschütterung eines Komponisten leichtfüßig und zugleich zart zu zeigen. Die Puppe wirkte dabei nie wie ein bloßes Theatermittel, sondern wie ein zweites, inneres Schubert-Wesen, das die Unsicherheit, das Staunen und die Überforderung dieses historischen Moments sichtbar macht. Dass Konzett seine Kunst so selbstverständlich in das Klanggeschehen einbettete, zeugt von seinem szenischem Instinkt.

Der Übergang zu Schuberts G-Dur-Quartett D 887, einem Werk, das der Komponist nach seinem Schweigen in der völlig utopischen Zeit von zehn Tagen niederschrieb, geriet dadurch fließend. Dieses Quartett, äußerlich heiter und weit ausschwingend, in Wahrheit jedoch von einer abgründigen Brüchigkeit geprägt; ein Anfang, in dem jede Zuversicht von einem kaum wahrnehmbaren Zweifel unterlaufen wird, bis die Musik in einem plötzlichen, fast eruptiven Fortissimo ausbricht, als müsse sich das Werk seiner eigenen Zartheit entledigen, um zu überleben. Heute wirkt das G-Dur-Quartett wie ein Monument jener schubertischen Doppelgesichtigkeit, aus der die ganze Größe seines Spätwerks erwächst: die Fähigkeit, das Leichte neben das Schwere zu stellen, das Unschuldige neben das Erschütterte, und aus dieser Reibung eine musikalische Wahrheit entstehen zu lassen, die tiefer reicht als jedes biografische Detail und doch untrennbar mit Schuberts Lebensweg verbunden bleibt.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Das Epos Quartett spannte die Pianissimi mit Spannung an die eruptiven Ausbrüche, sodass jenes unverwechselbare Schubert-Schillern entstand, das zwischen hellem Aufglanz und dunkler Ahnung pendelt und den Hörer in ein ständig changierendes Klangfeld führt. Der Abend zeigte, wie Musikvermittlung heute gelingen kann: anspruchsvoll, durchdacht, mit Humor, aber auch mit spürbarem Respekt für die Eigenart dieser Werke. Das Publikum dankte mit Standing Ovations und für einen Moment schien es, als hielte der Saal wirklich den Atem an, um den Musikern sowie dem Puppenspieler einen Schlussapplaus zu schenken, der Schuberts Schweigen in einen hörbaren Nachhall verwandelte. Das Konzert kann man noch am Samstag im Frauenmuseum Hittisau erleben.