Eine Siegessäule für die Niederlage

Die Skulptur ist vom 22. November bis zum 22. Februar zu sehen, die Eröffnung ist am Freitag.
Bregenz Fünfhundert Jahre nach den Bauernkriegen präsentiert das vorarlberg museum im Atrium eine Skulptur, die von einer Niederlage und zugleich vom Widerstand erzählt. Unter dem Titel „1525 – Siegessäule für eine Niederlage“ entwickelten das vorarlberg museum und das Kunsthaus Bregenz ein gemeinsames Projekt, das Geschichte und Gegenwart, bäuerliche Alltagswelt und musealen Raum miteinander verbindet: Albrecht Dürers Entwurf für ein Denkmal der aufständischen Bauern trifft auf eine skulpturale Antwort des deutschen Künstlers Marko Lehanka (64).

Ausgangspunkt ist ein druckgrafisches Blatt, das Kunsthistoriker seit Langem beschäftigt. 1525 veröffentlichte Dürer in seiner Schrift „Unterweisung der Messung“ einen Entwurf für eine sogenannte Bauernsäule. Sie zeigt ein monumentales Gebilde aus Krügen, Geräten und Gefäßen, das oben in eine Kiste und eine Figur mündet. Der darauf sitzende Mann trägt einen Hut, stützt sich mit dem Arm auf das Knie, wirkt beinahe gelassen. Doch aus seinem Rücken ragt ein Schwert. Ob es sich dabei um eine Ehrung der unterdrückten Bauern oder eine Mahnung zugunsten der Obrigkeit handelt, bleibt offen.

Lehankas Skulptur „Bauernsäule Remix 19, 2019“ setzt genau an dieser Ambivalenz an und widerspricht ihr zugleich. Auf seiner Säule türmen sich Milchkannen, Eimer, Werkzeuge, ein Tierkäfig, ein Mostfass und mehrere Adventskranzes. Oben sitzt eine Figur in Jeans und Turnschuhen, lässig rauchend.

Wo Dürer die bäuerliche Welt in ein streng konstruiertes Ordnungssystem einpasste, arbeitet Lehanka mit Brüchen, Verschiebungen und gezielter Instabilität. Die gesamte Skulptur wirkt bewusst aus der Balance geraten, eine fragile Erinnerungssäule im Wortsinn.

An der Basis der Arbeit sind vier Leuchter aus Hufeisen montiert, in deren Innerem CDs stecken: „Boney M. I“ und „Boney M. II“. Diese Referenz an Popkultur unterläuft den traditionellen Denkmalsgestus auf augenzwinkernde Weise. Neben der Skulptur hängt Dürers Kupferstich. Die direkte Gegenüberstellung öffnet den Blick für strukturelle Unterschiede: Hier die idealtypische Konstruktion eines nie realisierten Monuments, dort eine plastische Reaktion aus Alltagsobjekten, Folklore, Zitat und Zufall.

KUB Direktor Thomas D. Trummer: “Bemerkenswert ist der kurze Text auf dem umgedrehten Fass: Er stammt nicht von einer Person, sondern wurde 1989 von einem selbst geschriebenen Programm generiert. Lehanka hat mit einem frühen Computer experimentiert, der einfache Geschichten automatisch erzeugt. Die Akteure handeln, bewegen sich bis sie sterben. Erst der Tod stoppt die Maschine. Diese Idee ist heute, in einer Zeit von KI-generierten Bildern und Texten, erstaunlich aktuell. Und so begegnen sich hier zwei schicksalhafte Daten – 1525 und 1989 –, zwei Bruchlinien der Geschichte, die zeigen, wie fein die Übergänge zwischen Ordnung und Umbruch, zwischen Kreativität und Kontrolle, zwischen Vergangenheit und Gegenwart verlaufen”.

Der Blick vom Kunstobjekt in die Region wird bewusst mitgedacht. Quellen belegen, dass sich auch in Vorarlberg um 1525 Widerstand regte. Beschwerden über Abgaben, Forderungen nach freier Pfarrerwahl und Berichte über Solidaritätsbekundungen mit den aufständischen Bauern im Allgäu sind überliefert. Die Gewalt erreichte hier zwar nicht die Ausmaße wie in Oberschwaben, doch die Konfliktlinien zwischen kirchlicher und weltlicher Herrschaft sowie bäuerlicher Bevölkerung verliefen vergleichbar.

Der Direktor des vorarlberg museum, Michael Kasper, verweist auf den Bauernkrieg als Teil der regionalen Geschichte, nicht allein als Erzählung von Unterdrückung, sondern auch als Ausdruck des Strebens nach Gerechtigkeit und Teilhabe. Und dennoch: “Bemerkenswert ist dabei, dass Vorarlberg, mitten in dieser weiten Konfliktlandschaft gelegen, von den blutigen Eskalationen, die in vielen anderen Regionen zu zehntausenden Toten führten, weitgehend verschont blieb. Die Gewalt brach hier nicht in jener Härte aus, die andernorts ganze Landstriche verwüstete, auch wenn wir selbstverständlich nicht völlig losgelöst waren von den Entwicklungen der Nachbarschaft; Beschwerden, Unruhen und soziale Spannungen gab es auch hier”.