Belladonna – Österreichs Künstlerinnen 1960 bis 1980

Kultur / 25.11.2025 • 14:22 Uhr
1234.jpg
In dem Buch herausgegeben von Gerald Matt werden 29 österreichische Künstlerinnen portraitiert. Czernin Verlag

Ein Grundlagenwerk feministischer Kunstgeschichtsschreibung von Gerald Matt.


Wien Mit „Belladonna” liegt ein Buch vor, das die jüngere österreichische Kunstgeschichte um eine wesentliche Perspektive erweitert. 29 Gegenwartskünstlerinnen rekapitulieren darin in ausführlichen Gesprächen ihren künstlerischen Werdegang, ihr Werk und ihren Platz in einer Zeit, in der Karrieren, Akademien und Preise nahezu ausschließlich Männern vorbehalten waren. So ist ein Grundlagenband feministischer Kunstgeschichtsschreibung entstanden, der nicht nur dokumentiert, sondern auch korrigiert und ergänzt, was in der bisherigen Erzählung der österreichischen Avantgarde allzu oft ausgeblendet wurde.

Die titelgebende Belladonna fungiert dabei als vielschichtiges Symbol. Das heilsame Gift der Pflanze steht einerseits für jenen kompromisslosen Willen zur Veränderung, der viele der porträtierten Künstlerinnen antrieb, und andererseits für jene Generation selbstbewusster, talentierter Frauen, die sich ihren Platz in der Gegenwartskunst mit Beharrlichkeit und Haltung erkämpften. Das Buch macht deutlich, wie hartnäckig sich die Strukturen der 1960er- und 1970er-Jahre gegenüber weiblichen Positionen verschlossen. Gerade deshalb entfalten die Stimmen von Künstlerinnen wie Renate Bertlmann, VALIE EXPORT, Maria Lassnig, Kiki Kogelnik, Birgit Jürgenssen, Martha Jungwirth oder Elfie Semotan heute eine besondere Wirkung.

Die Gespräche zeichnen ein Bild einer Epoche, in der sich nach dem 2. Weltkrieg erstmals spürbare Umbrüche vollzogen. Die österreichische Kunst öffnete sich in diesen Jahrzehnten stärker als zuvor der internationalen Avantgarde, durch reale Begegnungen, Reisen und längere Arbeitsaufenthalte in den neuen Kunstzentren von Paris bis New York. Dass New York zu Beginn der 1960er-Jahre Paris als Weltkunsthauptstadt ablöste, spiegelt sich auch in den Biografien vieler Künstlerinnen wider, die den Schritt über den Atlantik wagten. Gerade im transatlantischen Austausch entwickelten Lassnig, Kogelnik oder Gerda Fassel eine künstlerische Sprache, die ihnen in Österreich lange verwehrt geblieben wäre.

Der Band liefert nicht nur kunsthistorische Einsichten, sondern bringt auch überraschende persönliche Erinnerungen ans Licht. Er hebt Begebenheiten, Orte und Zusammenhänge hervor, die bislang lediglich in individuellen Erzählungen überliefert waren.

Herausgegeben wird das Werk vom Vorarlberger Gerald Matt, ehemaliger Leiter der Kunsthalle Wien. Als Kurator und Autor verbindet er kunsthistorisches Wissen mit der Fähigkeit, Gespräche so zu führen, dass individuelle Erfahrungen sichtbar, historische Brüche erkennbar und künstlerische Leistungen präzise eingeordnet werden.