Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose

„Wetterfühlig“ am Landestheater: Zitate helfen nicht – aber sie erklären, warum alles bröckelt.
Bregenz Es heißt bei Oscar Wilde: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.“ Ein oftmals bemühter Satz, der im Premierenabend „Wetterfühlig“ von Bella Angora mit geradezu chirurgischer Präzision zerlegt wird. Denn was, bitte schön, soll gut werden in einer Welt, in der der Kleine Prinz als moralische Instanz gilt? Ein Kind, das glaubt, Blumen seien Lehrmeister, und dass man mit dem Herzen besser sieht. Mit dem Herzen! Tucholsky hätte dazu wohl bemerkt: „Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“ Und der Kleine Prinz hat sie bekanntlich alle.

Angora, als Hauptfigur und Gegenfigur dieses sentimentalen Weltheilungs-Klassikers, zeigt uns eine moderne, erschöpfte Version dieses allseits überschätzten Sternenreisenden. Einer, der nicht Weisheit verkörpert, sondern Weltverdrossenheit, Überforderung und eine Rose, die weniger für Liebe steht als für den schlechten Geschmack des Zeitgeists. „Die Menschen verstehen nicht, was sie haben“, heißt es im Buch – ja, weil sie ständig von Leuten belehrt werden, die es selbst nicht verstanden haben.
Zu Angoras innerem Trümmerfeld sprechen zwei Gegenstimmen: Isabella Campestrini, die Fakteneintreiberin, die versucht, der Welt eine Struktur einzuhämmern, wo längst keine mehr ist. Und Nico Raschner, dessen halbwarmes Halbwissen sich so sanft über die Bühne legt wie Mark Twains zynischer Trost: „Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat.“ Zusammen erzeugen sie eine Informationslage, die jeder kennt: zwei Stimmen, die gleichzeitig Recht haben wollen und am Ende beide keinen Begriff von der Lage haben.

Die Rose – ach ja, dieses überfrachtete Symbol – taucht immer wieder auf. Angora behandelt sie mit einer Verachtung, die fast befreiend wirkt. Dorothy Parker schrieb einst: „You can lead a horticulture, but you can’t make her think.“ Und genau so sieht diese Rose aus: hübsch, aber intellektuell unbeteiligt. Ein Gewächs, das moralische Bedeutung beansprucht, aber nichts davon einlösen kann.
Die Bühne: vertikale Streifen, strenges Schwarz-Weiß, durchbrochen von Projektionen. Alles wirkt wie eine Welt, die versucht, Ordnung vorzutäuschen. Sarah Misturas Videos zittern und flirren, als wollten sie Brechts Satz illustrieren: „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“
Oliver Stotz’ Musik liegt darüber wie das akustische Äquivalent einer kaputten Gewitterwarnung. Stephanie Gräves Dramaturgie hält das fragile Gebilde zusammen wie jemand, der weiß, dass Sinn nicht zu erzwingen ist – und dass gerade das nötig ist.
Der Klimawandel ist hier kein Thema, sondern eine Metapher. Für alles. Für Überforderung, Migration, moralische Erschöpfung, gesellschaftliche Zerreibung. Heine notierte: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“ Der Satz funktioniert hier global.

Und doch: Der Abend ist gut. Vielschichtig. Er bleibt. Nicht weil er Antworten liefert, sondern weil er uns in diese Lage versetzt. Um nochmals auf Tucholskys zu kommen und dessen bittere Diagnose erneut zu schmecken: „Die Menschen wollen nicht die Wahrheit – sie wollen bestätigt werden.“
„Wetterfühlig“ bestätigt nichts. Es zeigt nur, wie wenig Halt all die berühmten Weisheiten bieten, wenn die Welt bröckelt.
Der Kleine Prinz hätte es nicht verstanden. Das Publikum schon.
Noch fünf weitere Aufführungen bis zum 4. Jänner 2026. Infos unter www.landestheater.org