R(h)einromantik in der Tonhalle

Kultur / 08.12.2025 • 12:55 Uhr
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Alexandra Conunova überzeugte durch ihre konzentrierte Präsenz und ihr großes Können. Andreas Marte

Ein leidenschaftlicher Abend mit Ludwig van Beethoven, Max Bruch und Robert Schumann.

St. Gallen Bereits die ersten Takte von Beethovens Leonore-Ouvertüre Nr. 3 ließen erkennen, dass Carlo Goldstein am Pult eine Auslegung entwickelte, die weniger auf unmittelbare Wirkung als auf strukturelle Klarheit und musikalische Kohärenz zielte. Die langsame Einleitung spannte er mit sicherer Hand, das Orchester formte er zu einem geschlossenen Organismus, der sich im folgenden Allegro mit kontrollierter Energie entfaltete. Goldsteins Zugriff zeichnete sich durch eine konsequente Tempowahl und eine durchdachte Proportionalität aus, die dem dramatischen Gehalt des Werks ohne demonstrative Zuspitzung Raum gab.

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Andreas Marte Carlo Goldstein am Pult.

Das Sinfonieorchester St. Gallen folgte seinem Ansatz mit hoher Reaktionsbereitschaft. Vor allem in der differenzierten Arbeit der Streicher und der Holzbläser kam eine interpretatorische Geschlossenheit zum Ausdruck, die nicht zuletzt aus der konzentrierten Probearbeit herrühren dürfte. In den Tuttipassagen des Blechs geriet das Gleichgewicht stellenweise ins Wanken, etwas mehr Zurücknahme hätte etwa den Holzbläserlinien mehr Transparenz verschafft. Insgesamt aber stand ein durchdachter Beethoven im Zentrum, der sich auf dramatische Verdichtung statt auf bloße Monumentalität stützte.
Im Mittelpunkt des Abends stand zweifellos Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 in g-Moll. Alexandra Conunova überzeugte dabei durch eine Mischung aus technischer Präzision und klanglicher Stringenz. Ihr Ton war schlank geführt, mit deutlicher Fokussierung auf Artikulation und Phrasierung. Den eröffnenden Soloeinsatz formte sie mit souveränem Überblick und sicherem Gespür für den Spannungsverlauf, das Adagio hielt sie in der Balance zwischen kantabler Linie und formaler Geschlossenheit. Conunovas Spiel wirkte in keiner Phase vordergründig expressiv, sondern war geprägt von kontrollierter Spannung und interpretatorischer Disziplin.

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Goldstein und das Sinfonieorchester erwiesen sich in diesem Kontext als verlässliche Partner. Sie gaben der Solistin den notwendigen Freiraum, ohne die orchestrale Gestaltung zu vernachlässigen. Im Finalsatz entwickelte sich daraus ein transparent geführter Dialog, der den formalen Verlauf stützte und das Werk mit plausibler Dramaturgie zu einem wirkungsvollen Abschluss brachte. Als Zugabe spielte die aus Moldawien stammende Violinistin ein Stück aus ihrem Heimatland namens „Etüde“.

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Andreas Marte

Zum Abschluss des Abends stand Schumanns Dritte Sinfonie auf dem Programm. Goldstein ließ die sogenannte „Rheinische“ mit elastischer Rhythmik und klarer metrischer Struktur entstehen. Die Sätze wirkten dabei nicht wie lose nebeneinanderstehende Einzelstücke, sondern als organisch verknüpfte Stationen eines größeren Ganzen. Das Orchester artikulierte farbig, ohne ins Illustrative abzugleiten, und setzte insbesondere im vierten Satz klanglich prägnante Akzente.
Die Konzeption des Abends ließ eine deutliche Handschrift erkennen: ein interpretatorischer Zugriff, der auf Substanz und Formbewusstsein setzt, ohne die Expressivität zu vernachlässigen.